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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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leicht, unter das Bett zu kriechen. In dem Dämmerlicht dort unten fühlt sie sich geborgen wie in einer Kiste, von der Außenwelt abgeschirmt – irgendwie getröstet. Der Teppich ist wie neu, flauschig, trotzdem verstaubt. Ihre müden Schultern berühren nicht mal die Unterseite des Bettes. Sie liegt wie ein Fetus zusammengekrümmt da, lauscht reglos ihrem Atem. Ein Frosthauch an einem sonnigen Tag.
    Ihr Hund kommt ins Schlafzimmer, steckt den Kopf unter die Matratze, stutzt und beschließt dann, ebenfalls unter das Bett zu kriechen und es sich neben ihr bequem zu machen. Sie vergräbt ihr Gesicht in sein Fell, fährt mit den Fingern durch die Zotteln, schmiegt sich an das anhängliche Tier. Sie fühlt sich, als hätte sie jemand soeben grün und blau geprügelt: ihr Schädel ein Trümmerhaufen, ihr Hals aufgeschlitzt, die Augen durchbohrt, ausgelaufen. In Zukunft wird sie mit ihm nicht mehr durch den Park gehen, nicht mehr mit ihm zusammen Äpfel pflücken. Kein gemeinsamer Schaufensterbummel mehr, und wie er seine Post sortiert, wird sie auch nie mehr sehen. Ihre Lunge ist schwer wie ein Stein auf dem Meeresgrund, wo früher ihr Herz schlug, klafft eine riesige Wunde. Sie wird nicht mehr auf der Straße hinter ihm herlaufen, wenn er wieder mal seine Brieftasche vergessen hat. Ihr Rückgrat ist zertrümmert, ihre Rippen stehen in Flammen, ihre Zähne sind aus dem Kiefer gebrochen. Die Hände zwischen ihren pulverisierten Knien sind verstümmelt, ihre Knochen spitze Zacken. Nie mehr wird sie ihn kochen sehen, nie mehr das Geschirr abtrocknen, das er ihr frisch gespült herüberreicht. Nie mehr wird sie ihm Socken kaufen oder ihn am Ärmel zupfen oder ihn zudecken, wenn er schläft. Nichts wird geschehen. Ihr Magen krampft sich zusammen. Ihre Fußsohlen sind wie gehäutet, ihre Knöchel eine Ansammlung von Splittern, ihre Zehen abgeschlagen, blutverschmiert. Auch altern wird sie nicht neben ihm und ihm ebenso wenig dabei zusehen, wie er altert. Der Kummer frisst sie auf wie eine schnurrende Katze. Sie überlegt, ob es tatsächlich so ist: gefressen zu werden?

A ls er abends anruft, lässt sie es läuten. Er hält sich den Hörer vor das Gesicht, versucht zu erahnen, ob sie zu Hause ist oder nicht.
    Er lässt das Telefon sieben, acht Mal läuten, oft genug, um sicher zu sein, dass sie das Telefon erreichen könnte. Vielleicht ist sie gerade in der Dusche oder führt den Hund spazieren. Später versucht er es noch einmal, wieder ohne Erfolg.
    Am nächsten Morgen ruft er sie aus dem Büro an: nichts. Er starrt auf das Chaos vor sich auf dem Schreibtisch: Schokoladenpapier, ein Stapel mit Fotos. Seine Gedanken drehen sich im Kreis. Er muss daran denken, wie sie einmal gesagt hat: Mit solchen Beleidigungen kannst du mich nicht treffen. Aber eines Tages schaffst du es noch, dass ich dich nicht mehr so sehr liebe wie heute. Dabei meint er es doch meistens gar nicht so böse. Sie ist sauer. Er ist die Zerknirschung selbst, also wird er sie küssen, sie streicheln, liebkosen, sich selbst beschimpfen. Ihr noch einmal sagen, dass die Entscheidung ganz bei ihr liegt. Schon möglich, dass ein Kind sein Leben schwieriger macht, aber das Leben ist ohnehin schwierig. Wie dumm von dir, die Liebe zu zerstören, die ich für dich empfinde.
    Er versucht es den ganzen Tag immer wieder, doch sie meldet sich nicht. Beim Abendessen bringt er kaum einen Bissen herunter. Er weiß, dass eigentlich kein Grund zur Sorge besteht. Sie ist doch sonst auch nicht nachtragend. Sie verzeiht sehr schnell, sieht großzügig über Dinge hinweg. Er macht einen Spaziergang und ruft sie aus einer Telefonzelle an. Als er den Hörer wieder einhängt, fallen die Münzen rasselnd in den Rückgabeschacht.
    Auch am nächsten Tag versucht er fast pausenlos, sie telefonisch zu erreichen. Er spielt mit dem Gedanken, zu ihr zu fahren, lässt es dann aber. Wenn sie mit ihm sprechen wollte, würde sie ja auf seine Anrufe reagieren. Doch allmählich machen sich in ihm wie Stiche die ersten kleinen Wunden bemerkbar, begleitet von Panikattacken. Er beschäftigt sich mit seiner Arbeit, schiebt Papiere hin und her, hält ein Bild in das Licht. So schleppen sich die Stunden quälend dahin, bis plötzlich etwas in ihm schrillt: Wie dumm von dir, die Liebe zu zerstören, die ich für dich empfinde. Am Nachmittag des folgenden Tages hält er es nicht länger aus: Er steigt ins Auto und fährt los. Als er das Tor öffnet, hat er das Gefühl, endlich heimzukehren –
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