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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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Eis ihn erstarren lässt, das ihn schon bald ganz einschließen wird. Seine Nackenhaare sträuben sich, wie sie es immer tun, wenn er weiß, dass Gefahr im Verzug ist, wenn er sich schämt. »Keine Ahnung«, antwortet er. »Schließlich weiß ich ja nicht alles über dich.«
    »Dann weißt du also nicht, dass ich dich liebe? Habe ich dir das nicht oft genug gesagt?«
    »Doch, das hast du gesagt. Aber ich weiß nicht, was du machst, wenn ich nicht hier bin.«
    Sie starrt ihn verständnislos an, sieht ihn wie durch eine Nebelwand, als ob jemand ihr einen schweren Schlag auf den Kopf versetzt hätte. Ihre Liebe für ihn hat ihr den Blick für alles andere getrübt: Jeder Mann steht weit unter ihm, jede Berührung, die nicht von ihm ist, lässt sie zurückweichen. Sie weiß, dass er sie belügt, dass er sie manchmal meidet, weiß, dass sie bestenfalls die Oberfläche seines Lebens berührt. Trotzdem stellen sich diese Dinge für sie selbst komplett anders dar. Sie ist völlig von ihm durchtränkt, hat sich ihm mit Haut und Haar verschrieben. Sämtliche Lügen, die sie ihm erzählt hat, hatten nur den einen Zweck: ihn zu beschirmen, ihn zu beschützen, ihn zu verhätscheln. Mit fast tonloser Stimme antwortet sie: »Jedenfalls komme ich nicht jeden Abend nach Hause und lege mich zu jemand anderem ins Bett.«
    Sein Mund verzieht sich zu einer bösen Grimasse. »Fang jetzt bitte nicht wieder damit an. Das hatten wir doch schon alles. Meine Lebensumstände waren dir schon bekannt, als wir uns kennen gelernt haben. Kein Mensch hat dich gezwungen. Vielleicht hättest du es besser bleiben lassen. Du weißt doch, dass daran nichts zu ändern ist.«
    Sie hält seinem Blick stand. Die Bäume und die Vögel neigen sich ihr entgegen, wollen ihre Antwort hören. »Ich weiß, du möchtest nicht, dass sich irgendwas ändert«, sagt sie. »Ich weiß, du willst nur das, was du ohnehin schon hast. Ich weiß, dass ich dir alles geben würde, nur leider besitze ich nicht das, was du willst. Ich weiß, ich habe mich zum Narren gemacht. Ich weiß, dass es dumm ist, jemanden zu lieben, der erst lernen muss, diese Liebe zumindest mit Wertschätzung zu erwidern.« Seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. »Wenn ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe, hast du mir ja ohnehin nicht geglaubt. Was meinst du, wie das für mich gewesen ist?«
    »Geglaubt habe ich dir nie, weil es nie wahr gewesen ist.«
    »Na gut.« Er stellt die Tasse beiseite und legt das angebissene Plätzchen auf den Teller. »Wenn das wirklich deine Meinung ist, was habe ich dann hier noch zu suchen? Warum sprichst du dann noch mit mir? Wieso lässt du dich dann von mir vögeln?«
    Tränen stehen in ihren Augen, doch vor ihm zu weinen kommt für sie nicht mehr in Frage. »Das Wenige, das ich von dir gehabt habe, war immer noch besser als gar nichts«, sagt sie und weiß, wie lächerlich sie klingt. Ach, wäre sie doch nur ein Baum oder ein Vogel, etwas, das von Verachtung nichts weiß und von Scham, ein stolzes Wesen, das lieber auf der Stelle tot ist als so feige, an sich selbst Verrat zu üben. Aber er hört ihr ohnehin nicht zu, sein ganzer Kopf ein einziges gleißend helles Dröhnen. Er schaut auf die Uhr, macht alle möglichen theatralischen Verrenkungen, steht abrupt auf. Noch nie hat es ihn irgendwo so sehr zur Flucht gedrängt wie jetzt hier an diesem Ort. Noch immer befindet er sich im freien Fall, stürzt tiefer und tiefer hinab, sieht nichts als weiße Eiswände, die an ihm vorbeirauschen, sich über ihm immer höher auftürmen, bis vom Himmel nur noch ein dünner Streifen zu sehen ist. »Ich muss jetzt weg«, sagt er. »Sonst verpasse ich einen Termin. Bleib hier, du brauchst mich nicht zur Tür zu begleiten. Ich melde mich heute Abend.« Und später denkt er, dass er noch einiges mehr hätte sagen sollen, wenigstens ein paar belanglose Kleinigkeiten.
    Als er gegangen ist und sie sein Auto nicht mehr hört, bringt sie die Tassen in die Küche, spült sie ab, stellt sie auf das Abtropfbrett und geht durch den Flur in ihr Schlafzimmer. Ihre Beine sind bleischwer, ihre Haut fühlt sich an wie Pergament, ihre Brust wie eine dunkle, gewaltsam geöffnete Spalte. Es kostet sie Mühe, den Kopf aufrecht zu halten, ihre Füße weiterzuschleppen. Sie sucht nur eines: Dunkelheit – möchte noch einmal ganz von vorn anfangen. Als Kind hat sie sich manchmal unter dem Bett versteckt, nur aus dem einen Grund: weil es dort so friedlich war. Auch jetzt ist es für sie ganz
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