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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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schlicht ignoriert. Sie weiß nicht mehr genau, seit wann das so ist. »Das hässliche Entlein«, murmelt er. Sein Blick ist auf die zitternde Treppe gerichtet. Er macht ein Gesicht, als ob er Trolle oder Riesen, Kobolde oder Hexen erwartet, die sich mit ihren scheußlichen Händen an dem Geländer hinaufziehen, um plötzlich den Kopf in den Raum zu stecken. »Ja, Das hässliche Entlein – auch eine gute Geschichte.«

S ie ist ganz ruhig. Er fühlt sich, als ob er gerade von einem Schredder zermalmt wird. »Seit wann?«, sagt er.
    »Sechs oder sieben Wochen.«
    »Wie lange weißt du es schon?«
    »Sie schürzt die Lippen. »Ein paar Tage. Eine Woche.«
    Eine Woche.
    »Bist du beim Arzt gewesen?«
    »Ja«, sagt sie.
    Dann ist es also wahr. Aber er weiß, dass sie die Pille nimmt, er hat die Packungen mit den in akkuraten Reihen sorgfältig eingeschweißten orangefarbenen Pastillen mit eigenen Augen gesehen. »Und wie ist es passiert?«, fragt er abwesend.
    Sie zuckt mit den Achseln. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. »Vielleicht ein Wunder?«
    Die beiden sind auf die Veranda hinter dem Haus getreten. Unter ihnen liegt der Garten. Sie steht an der Brüstung, lässt den Ausblick auf sich wirken und beobachtet ein paar Vögel, auf der Stirn Sorgenfalten. Ihre Gedanken schweifen ab: graben um, beschneiden Büsche und Stauden. Er sitzt auf der Holzbank, vor sich eine Tasse Kaffee. Seine Beine zittern, er ist in sich zusammengesunken. Möglich, dass er nie mehr aufrecht stehen kann: Sie birst vor Kraft, könnte dort drüben den höchsten Baum erklimmen, um einen Blick in das stattliche Elsternnest zu werfen, das in der Baumkrone von Zweigen getragen wird. Er hält ein Marmeladenplätzchen in der Hand, von dem er einen Bissen genommen hat, bringt jedoch nichts herunter. Die klebrige Masse steckt ihm im Hals. Er trinkt einen Schluck Kaffee, er ist fast kalt. Trotz allem ein schöner Tag. »Das ist deine Entscheidung«, sagt er.
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich habe kein Recht, dir zu sagen, was du tun sollst.«
    Sie sieht ihn an. »Trotzdem hast du natürlich das Recht zu sagen, was dir persönlich am liebsten wäre.«
    Er begutachtet nachdenklich sein Plätzchen und den Kaffee, auf dessen Oberfläche helle Schauminseln schwimmen. Dass sie das Zeug nie so stark machen kann, wie er es möchte. Ein Insekt, dessen Namen er nicht kennt, krabbelt am Henkel der Tasse entlang, eine Art Mücke. Er persönlich würde am liebsten so weiterleben, wie er es bis vor drei Minuten getan hat – frei und ungebunden wie eine Katze -, aber das kann er natürlich so nicht sagen. »Mir ist alles recht, was du möchtest. Ich richte mich in diesem Punkt ganz nach dir.«
    Sie schurrt mit den nackten Zehen über den Holzboden, stützt sich mit einem Ellbogen auf die Brüstung. Ihren eigenen Kaffee hat sie noch nicht angerührt. »Nun gut«, sagt sie, »ich habe für nächste Woche einen Termin vereinbart – früher ging es nicht.«
    »… aber möchtest du das wirklich?«
    Wieder zieht sie eine Schnute, als ob ihr alles egal ist. »Was soll ich denn machen? Du überlässt mir die Entscheidung. Das ist nett von dir. Aber ich möchte dir keinen Kummer bereiten. Ich weiß, dass du mir das vielleicht nicht abnimmst, trotzdem stimmt es. Für mich war immer nur eines wichtig: dass du glücklich bist. Und ich weiß, dass diese Geschichte dir unangenehm wäre. Ich weiß, du willst es nicht wirklich. Trotzdem würdest du dich verpflichtet fühlen – und dazu noch hintergangen, an die Kette gelegt …«
    Er unterbricht sie. »Mach dir meinetwegen keine Gedanken. Tu einfach, was du für richtig hältst.«
    Sie seufzt eher genervt als betrübt. »Ich will dich nicht krallen, ich möchte nicht, dass du bloß mit mir zusammen bist, weil du dich dazu verpflichtet fühlst. Das ist doch kein Leben.«
    Er mustert sie: alles wie immer, dabei könnte in genau diesem Augenblick die endgültige Entscheidung fallen. Es tut ihm leid, dass er sie in der Vergangenheit so oft allein gelassen hat – dass sie sich überhaupt über den Weg gelaufen sind. Er bedauert, dass er bislang nicht die Kraft gefunden hat, sie einfach freizugeben. Zugleich würde er sie am liebsten küssen, weil sie so stark ist: Sie ist stark wie Eisen, wie Granit, eine beeindruckende Persönlichkeit. Ja, vielleicht ist sie sogar der bemerkenswerteste Mensch, dem er je begegnet ist. »Aber du machst mir doch gar keinen Kummer«, sagt er. »Natürlich haben wir zusammen einiges durchgemacht, aber die
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