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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel
Autoren: K Morton
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sogar, aber sie kannten sie nicht wirklich.«
    Ich dachte an Hannah. An die schöne, kluge Hannah, die so voller Sehnsucht war. »Sie war eine komplexe Persönlichkeit. «
    »Ja«, sagte Ursula, »den Eindruck hatte ich auch.«
    Ruth, die die ganze Zeit zugehört hatte, bemerkte: »Eine der beiden hat doch einen Amerikaner geheiratet, nicht wahr?«
    Ich sah sie überrascht an. Sie hatte stets betont, nichts über die Hartfords zu wissen.
    Unsere Blicke trafen sich. »Ich hab ein bisschen nachgelesen. «
    Wie typisch für Ruth, sich auf dieses Treffen vorzubereiten, egal, wie geschmacklos ihr das Thema erscheinen mochte.
    Ruth wandte sich wieder Ursula zu und sagte zögernd, darauf bedacht, nur ja keinen Fehler zu machen: »Ich glaube, eine hat nach dem Krieg geheiratet. Welche von beiden war das noch?«
    »Hannah.« So. Es war geschehen. Ich hatte ihren Namen laut ausgesprochen.
    »Und was war mit der anderen Schwester?«, fuhr Ruth fort. »Emmeline. Hat sie je geheiratet?«
    »Nein«, sagte ich. »Sie war verlobt.«
    »Mehrmals«, sagte Ursula lächelnd. »Anscheinend konnte sie sich für keinen Mann entscheiden.«

    O doch, das konnte sie. Am Ende hat sie ihre Entscheidung getroffen.
    »Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, was in jener Nacht passiert ist.« Das war Ursula.
    »Nein.« Meine müden Füße begannen, gegen das harte Leder meiner Schuhe zu protestieren. Bis zum Abend würden sie geschwollen sein, und Sylvia würde stöhnen und darauf bestehen, mir ein Fußbad zu verpassen. »Wahrscheinlich nicht.«
    Ruth richtete sich in ihrem Sessel auf. »Aber Sie müssen doch wissen, was passiert ist, Miss Ryan. Schließlich drehen Sie einen Film darüber.«
    »Sicher«, sagte Ursula, »in groben Zügen weiß ich, was sich abgespielt hat. Meine Urgroßmutter war an dem Abend auf Riverton – sie war durch ihre Heirat mit den Schwestern verschwägert –, und die Geschichte ist zu einer Art Familienlegende geworden. Meine Urgroßmutter hat sie an meine Großmutter weitergegeben, meine Großmutter an meine Mutter und meine Mutter an mich. Meine Mutter hat sie mir immer wieder erzählt – ich war zutiefst beeindruckt. Ich habe schon immer gewusst, dass ich eines Tages einmal einen Film daraus machen würde.« Sie zuckte lächelnd die Achseln. »Aber Geschichte ist immer mit Lücken behaftet, nicht wahr? Ich habe ganze Aktenordner voll mit Unterlagen, die Polizeiberichte und Zeitungsartikel zählen alle Fakten auf, aber sämtliche Informationen stammen aus zweiter Hand. Und sie sind stark zensiert, fürchte ich. Leider sind die einzigen beiden Menschen, die Zeugen des Selbstmords wurden, schon seit Jahren tot.«
    »Ein makabres Thema für einen Film, finde ich«, bemerkte Ruth.
    »Aber nein, es ist faszinierend«, erwiderte Ursula. »Ein aufgehender Stern am englischen Dichterhimmel
nimmt sich während eines großen Empfangs an einem dunklen Seeufer das Leben. Seine einzigen Zeugen sind zwei schöne Schwestern, die von da an nie wieder ein Wort miteinander sprechen. Die eine ist die Verlobte des jungen Mannes, die andere angeblich seine Geliebte. Das ist doch unglaublich romantisch.«
    Der Knoten in meinem Magen löste sich ein wenig. Hannahs Geheimnis war also noch gewahrt. Ursula kannte die Wahrheit nicht. Ich fragte mich, warum ich etwas anderes erwartet hatte und was für eine falsch verstandene Loyalität mich veranlasst hatte, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Warum interessierte mich nach all den Jahren überhaupt noch, was die Leute dachten?
    Ich wusste natürlich genau, warum. Ich war damit geboren. Mr Hamilton hatte es mir gesagt an dem Tag, als ich Riverton verließ. Ich stand mit meinem Lederkoffer, der vollgestopft war mit meinen wenigen Habseligkeiten, auf der Treppe zum Dienstboteneingang, während Mrs Townsend in der Küche weinte. Er hatte gesagt, ich hätte es im Blut, genau wie meine Mutter und deren Eltern, er hatte mir erklärt, es sei dumm wegzugehen, eine gute Stellung bei einer guten Familie einfach so aufzugeben. Er hatte sich bitter über den Verlust von Stolz und Treue beklagt, Werte, die der englischen Nation immer eigen gewesen seien, und er hatte geschworen, Riverton vor diesem Verlust zu bewahren. Schließlich habe man den Krieg nicht gewonnen, um die britischen Traditionen aufzugeben.
    Damals hatte er mir leidgetan: so starr in seinen Prinzipien verhaftet, so überzeugt, dass ich, indem ich meine Stellung aufgab, den sicheren Weg in den finanziellen und moralischen Ruin einschlug.
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