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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel
Autoren: K Morton
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lauschte auf das sich entfernende Rascheln.
    Endlich allein mit dem ächzenden Haus schlich ich auf Zehenspitzen zur Tür, zog sie vorsichtig zu und drehte mich um, um mein neues Zuhause in Augenschein zu nehmen.
    Es gab nicht viel zu sehen. Ich fuhr mit der Hand über den Bettrahmen, zog den Kopf unter der Dachschräge ein. Am Fußende der Matratze lag eine graue Decke, an einer Ecke von geschickten Händen geflickt. Ein kleines, gerahmtes Bild, die einzige Andeutung von Zimmerschmuck, hing an der Wand: eine typische Jagdszene mit einem verletzten Hirsch, aus dessen Flanke rotes Blut rann. Hastig wandte ich mich von dem sterbenden Tier ab.
    Ganz vorsichtig setzte ich mich aufs Bett, darauf bedacht, das glatte Laken nicht zu zerknittern. Als die Federn im Sprungrahmen quietschten, sprang ich schuldbewusst auf und spürte, wie meine Wangen sich röteten.
    Durch ein schmales Fenster fiel ein Streifen staubiges Licht ins Zimmer. Ich kniete mich auf den Stuhl und spähte nach draußen.

    Das Zimmer befand sich im hinteren Teil des Hauses und war sehr hoch gelegen. Ich konnte über den Rosengarten hinweg bis zu den Gartenlauben und dem Brunnen im Süden sehen. Dahinter lag der See, das wusste ich, und auf der anderen Seite das Dorf, in dem ich die ersten vierzehn Jahre meines Lebens verbracht hatte. Ich stellte mir vor, wie meine Mutter am Küchenfenster saß, wo das Licht am besten war, den Rücken über eine Flickarbeit gebeugt.
    Ich fragte mich, wie sie allein zurechtkam. Mutter ging es in letzter Zeit nicht gut. Einmal hatte ich sie nachts im Bett stöhnen hören, als ihre kranken Knochen ihr unsägliche Schmerzen bereiteten. Manchmal waren ihre Finger morgens so steif, dass ich sie unter warmem Wasser massieren musste, ehe sie überhaupt eine Garnrolle aus ihrem Nähkorb nehmen konnte. Mrs Rodgers aus dem Dorf hatte sich bereit erklärt, täglich nach meiner Mutter zu sehen, und der Lumpenmann kam zweimal pro Woche, aber sie würde schrecklich viel allein sein. Es bestand kaum Hoffnung, dass sie ohne mich mit den Flickarbeiten weitermachen konnte. Aber womit würde sie dann Geld verdienen? Mit meinem mageren Lohn würde ich sie unterstützen können, aber hätte ich nicht lieber bei ihr bleiben sollen?
    Andererseits war sie es gewesen, die darauf bestanden hatte, dass ich mich um die Stelle bewarb. Meine Einwände hatte sie gar nicht hören wollen, hatte nur den Kopf geschüttelt und erklärt, sie wisse besser, was gut für mich sei. Sie hatte gehört, dass ein Dienstmädchen gesucht wurde, und war davon überzeugt, dass ich genau die Richtige für diese Position war. Kein Wort darüber, von wem sie das gehört hatte. Typisch für meine geheimnistuerische Mutter.
    »Es ist nicht weit weg«, sagte sie. »An deinen freien Tagen kannst du nach Hause kommen und mir helfen.«
    Sie muss mir meine Bedenken angesehen haben, denn sie streichelte mir zärtlich die Wange. Eine ungewohnte Geste, mit der ich nicht gerechnet hatte. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als ich die raue Haut ihrer zerstochenen Fingerspitzen an meiner Wange spürte. »Es wird alles gut, meine Kleine. Du wusstest doch, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem du dir eine Stellung suchen musst. Es ist das Beste, eine gute Gelegenheit. Du wirst schon sehen. Nicht viele würden ein so junges Mädchen wie dich einstellen. Lord Ashbury und Lady Violet sind keine schlechten Herrschaften. Mr Hamilton mag dir streng erscheinen, aber er ist gerecht. Und Mrs Townsend auch. Arbeite fleißig, tu, was man dir sagt, dann wirst du keinen Ärger bekommen.« Sie kniff mich mit zitternden Fingern in die Wange. »Und Gracie! Dass du mir nicht vergisst, wo du herkommst. Viel zu viele junge Dinger bringen sich damit in Schwierigkeiten. «
    Ich hatte ihr versprochen, ihren Rat zu befolgen, und am folgenden Samstag war ich in meinem Sonntagskleid zu dem großen Herrenhaus gestapft, um mich bei Lady Violet vorzustellen.
    Es sei ein kleiner, ruhiger Haushalt, erklärte sie mir, nur ihr Mann, Lord Ashbury, der sich meist in seinen Clubs aufhalte, und sie selbst. Ihre beiden Söhne, Major Jonathan und Mr Frederick, seien beide erwachsen und lebten mit ihren Familien in der Nähe, kämen jedoch gelegentlich zu Besuch, und ich würde sie bestimmt kennenlernen, wenn ich ordentlich arbeitete und die Stellung behielt. Da sie nur zu zweit auf Riverton wohnten, kämen sie ohne Haushälterin aus, sagte sie, und verließen sich auf Mr Hamiltons langjährige Erfahrung, während die
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