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Die 4 Frau

Titel: Die 4 Frau
Autoren: James Patterson , Andrew Gross
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Erster Teil
Keinen kümmert's

1
    Es war kurz vor vier Uhr morgens an einem Werktag. Meine Gedanken überschlugen sich, noch ehe Jacobi das Steuer herumriss und unseren Wagen vor dem Lorenzo zum Stehen brachte, einem schmierigen »Touristenhotel«, wo man die Zimmer stundenweise mieten konnte. Es lag in einer der miesesten Ecken des Tenderloin Districts von San Francisco, wo selbst die Sonne sich kaum über die Straße traut.
    Drei Streifenwagen parkten schon am Bordstein, und Conk-lin, der erste Polizeibeamte am Tatort, sicherte gerade den Bereich um den Eingang mit Absperrband, assistiert von einem zweiten Officer, Les Arou.
    »Was liegt an?«, fragte ich Conklin und Arou.
    »Männlicher Weißer, Lieutenant«, antwortete Conklin. »Noch keine zwanzig. Augen wie Tischtennisbälle, gegrillt wie ein Spanferkel. Keine Anzeichen von gewaltsamem Eindringen. Opfer liegt in der Badewanne, genau wie letztes Mal.«
    Der Gestank von Urin und Erbrochenem schlug uns entgegen, als ich mit Jacobi das Hotel betrat. Hier gab es keine Pagen. Und auch keine Aufzüge und keinen Zimmerservice. Ein paar Kreaturen der Nacht wichen zurück und verschmolzen mit der Dunkelheit, bis auf eine junge Prostituierte mit aschgrauer Haut, die Jacobi zur Seite zog.
    »Geben Sie mir zwanzig Dollar«, hörte ich sie sagen. »Ich hab das Nummernschild gesehen.«
    Jacobi blätterte einen Zehner hin und bekam dafür einen Zettel. Dann nahm er sich den Nachtportier vor und fragte ihn über das Opfer aus. Hatte der Gast das Zimmer mit jemandem geteilt? Hatte er eine Kreditkarte? War er süchtig?
    Im Treppenhaus umkurvte ich einen Junkie und ging hinauf in den ersten Stock. Die Tür von Zimmer 21 stand offen, bewacht von einem jungen Streifenpolizisten.
    »'n Abend, Lieutenant Boxer.«
    »Es ist früher Morgen, Keresty.«
    »Ja, Ma'am«, sagte er, während er mich in seine Liste eintrug und mir dann das Klemmbrett zum Unterschreiben hinhielt.
    In dem gut zwölf Quadratmeter großen Zimmer war es noch dunkler als auf dem Flur. Die Sicherung war rausgeflogen, und im Schein der Straßenlaternen wirkten die zerschlissenen Gardinen vor dem Fenster gespenstisch. In meinem Kopf begann es schon zu arbeiten; ich versuchte herauszufinden, was Beweismittel waren und was nicht, und möglichst nicht auf Erstere zu treten. Es gab einfach zu viel Gerümpel hier und zu wenig Licht.
    Ich ließ den Lichtkegel meiner Taschenlampe über die Crack-Röhrchen am Boden gleiten, über die Matratze mit den eingetrockneten Blutflecken, die Haufen von übel riechendem Abfall und die im Zimmer verstreuten Kleidungsstücke. In der Ecke war eine Art Küchenzeile. Die Kochplatte war noch warm, und in der Spüle lagen Drogenutensilien.
    Die Luft im Bad war zum Schneiden. Mit dem Lichtstrahl folgte ich dem Verlängerungskabel, das sich von der Steckdose neben dem Waschbecken über die verstopfte Kloschüssel zur Badewanne hin schlängelte.
    Mein Magen krampfte sich zusammen, als das Gesicht des toten Jungen im Lichtkegel der Lampe auftauchte. Er war nackt, ein magerer Blondschopf mit haarloser Brust, in halb sitzender Position, die Augen aus den Höhlen getreten, Schaum vor dem Mund und um die Nasenlöcher. Das Elektrokabel endete in einem altmodischen Toaster, der unter der Oberfläche des Badewassers schimmerte.
    »Scheiße«, sagte ich, als Jacobi das Bad betrat. »Da haben wir's mal wieder.«
    »Na, dem ist der Toast aber nicht gut bekommen«, meinte Jacobi.
    Als Leiterin der Mordkommission sollte ich mich eigentlich nicht mehr mit der praktischen Ermittlungsarbeit abgeben. Aber in Momenten wie diesem konnte ich einfach nicht die Finger davon lassen.
    Ein weiterer Jugendlicher war durch einen Stromschlag getötet worden – aber warum? War er das zufällige Opfer eines Gewalttäters, oder gab es persönliche Motive? Vor meinem inneren Auge sah ich den Jungen im Todeskampf um sich schlagen, als der Strom durch seinen Körper schoss und sein Herz versagen ließ.
    Auf dem gesprungenen Fliesenboden stand das Wasser knöcheltief; schon spürte ich, wie meine Hosenbeine sich damit voll saugten. Ich hob einen Fuß und stieß mit der Schuhspitze die Badezimmertür zu. Ich wusste ganz genau, was ich da zu sehen kriegen würde. Die Tür gab ein hohes, näselndes Quietschen von sich; wahrscheinlich waren die Angeln noch nie geölt worden.
    Zwei Worte waren an die Tür gesprayt worden. Und zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen fragte ich mich, was um alles in der Welt sie zu bedeuten
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