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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel
Autoren: Sebastian Stammsen
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fuhr sich mit dem Daumen über den Hals.

    Die Befragung dauerte erst wenige Minuten, aber ich
konnte mir inzwischen das Familienleben dieser Menschen ein wenig besser
vorstellen. Vorausgesetzt es stimmte, was Peter Maier sagte. Wir würden seinen
Konferenztermin überprüfen und vielleicht musste ich ihn danach unter vier Augen
nach seiner Sekretärin fragen. Im Moment war das jedoch nicht notwendig.

    Â»Ist das auch der Grund, aus dem Sie … den Rat eines
Therapeuten gesucht haben?«, fragte ich und beglückwünschte mich zu dieser
diplomatischen Formulierung.

    Peter Maier presste die Lippen zusammen, seine Frau
nickte unter neuem Schluchzen.

    Â»Wann sind Sie am Samstag abgereist?«

    Â»Gegen sieben Uhr«, sagte Peter Maier. »Unsere Maschine
ging um 8:30 Uhr.«

    Â»Von Düsseldorf?«

    Â»Ja.«

    Â»Haben Sie Ihren Sohn am Samstag noch gesehen?«

    Â»Nein«, antworteten beide gleichzeitig. Kerstin Maier atmete
tief durch und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass sie sich weit genug
beruhigt hatte, um am Gespräch teilzunehmen.

    Â»Hat er noch geschlafen?«, fragte Nina.

    Â»Er war auf einer dieser Partys«, sagte Kerstin Maier. »Auf
einer dieser schrecklichen Partys, Sie wissen schon.«

    Ich dachte an Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll.

    Nina fragte: »Was für Partys meinen Sie?«

    Â»Ich meine diese Computerpartys. Wo alle ihren Computer
mitbringen und diese furchtbaren Spiele spielen.« Sie schnäuzte in ihr
Taschentuch.

    Â»Eine LAN-Party?«

    Frau Maier nickte. Von so etwas hatte ich schon gehört
und dort gab es keine der drei Dinge, die ich mit einer Party in Verbindung
brachte, über die sich Eltern üblicherweise despektierlich äußerten.
Stattdessen einen Haufen Jugendlicher, die ihre Computer zu einem Netzwerk
verbanden und dann die ganze Nacht gegeneinander zockten.

    Â»Er war dort von Freitag auf Samstag?«

    Â»Ja.«

    Â»Könnten wir den Namen und die Adresse haben, wo diese
Party stattgefunden hat?«

    Â»Natürlich«, sagte Kerstin Maier. »Das war bei einem Schulfreund.
Kai Kupka.« Sie nannte die Adresse.

    Â»Ging Ihr Sohn öfter zu solchen Partys?«

    Â»Vielleicht alle zwei bis drei Monate einmal.«

    Â»Wann haben Sie Tobias denn zum letzten Mal lebendig
gesehen?«, fragte Nina.

    Beide mussten eine Weile überlegen.

    Â»Donnerstagabend beim Abendessen«, erinnerte sich Frau
Maier.

    Â»Sonntagabend beim Abendessen«, fügte Herr Maier hinzu.

    Ich war verblüfft. »Es ist fast eine Woche her, seit Sie Ihren
Sohn gesehen haben?«

    Peter Maier antwortete nicht, er starrte mich nur mit leerem
Blick an. Ich fragte mich, ob er über seine Umsatzzahlen nachdachte oder
darüber, dass er wegen seiner Umsatzzahlen seine Rolle als Vater aufgegeben
hatte. Ich dachte an den Jungen mit dem schmalen Gesicht im Wohnzimmer. Bis
jetzt hatten wir eigentlich nur Dinge gehört, die ihn zum Mörder hätten machen
können, aber nicht zum Mordopfer.

    Â»Was passierte nach dem Abendessen am Donnerstag?«,
fragte Nina.

    Kerstin Maier antwortete: »Wir haben um sieben Uhr gegessen.
Um Viertel nach sieben waren wir fertig und Tobias ging in sein Zimmer.«

    Â»Tat er das jeden Abend?«

    Â»Ja, ich glaube, er hat meistens noch an seinem Computer
gespielt oder irgendetwas im Internet gemacht.«

    Â»Sie glauben?«

    Frau Maier seufzte schwer von Trauer und Verzweiflung. »Er
hat es mir nie gesagt. Ich habe häufig gefragt, um ihn besser zu verstehen,
aber er wollte nicht mit mir sprechen. Ich habe auch ein paarmal versucht, in
sein Zimmer zu gehen. Er ist jedes Mal nur wütend geworden.«

    Â»Was heißt das, wütend geworden?«

    Â»Na, eben wütend geworden. Er hat geschrien, mich beschimpft
und dann die Tür zugeknallt.«

    Â»Und dann?«

    Â»Was meinen Sie?«

    Â»Na, haben Sie dann aufgegeben?«

    Â»Wir haben uns gestritten.«

    Â»Haben Sie sich oft gestritten?«

    Â»Nicht oft. Nur wenn ich mit ihm reden wollte. Irgendwann
habe ich einfach aufgegeben. Er ist immer so wütend geworden. Richtig
jähzornig.«

    Â»Haben Sie sich am Donnerstagabend auch gestritten?«

    Â»Nein, da ist er einfach in sein Zimmer gegangen und ich
habe ihn gelassen.«

    Das war noch nicht einmal auf den ersten Blick ein Motiv,
da der Sohn erstochen worden war und nicht die Mutter. Nina wechselte
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