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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel
Autoren: Sebastian Stammsen
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den
Ansatzpunkt.

    Â»Hatte Ihr Sohn viele Freunde?«

    Kerstin Maier schaute durch Nina hindurch. »Ich glaube
nicht. Ich weiß es nicht.«

    Â»Er hatte Mitspieler auf den LAN-Partys«, warf ich ein.

    Â»Ja«, sagte Frau Maier.

    Â»Was ist mit einer Freundin?«, fragte Nina.

    Tobias’ Mutter schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«

    Â»Oder einem Freund?«, fragte ich.

    Herr Maier lief rot an. »Was …?! Nein!«

    Ich hätte ihn fragen können, wie er wissen konnte, dass
sein Sohn nicht homosexuell war, wenn er ihn nur einmal in der Woche sah. Aber
ich wollte den Mann nicht vor den Kopf stoßen. Dazu würde ich später noch genug
Gelegenheit haben.

    Â»Was ist mit Feinden?«

    Kerstin Maier schüttelte verständnislos den Kopf.

    Â»Hatte Tobias Streit mit Klassenkameraden? Mit Jungen
oder Mädchen?«

    Â»Nein … Ich … ich weiß es nicht«, sagte sie matt. Frau
Maier und ich hatten wahrscheinlich gerade den gleichen Gedanken, in dem es
darum ging, wie wenig sie über ihren Sohn wusste.

    Â»Für mich klingt das, als hätte Tobias sich ziemlich abgekapselt«,
sagte Nina vorsichtig.

    Kerstin Maier nickte.

    Gar nicht mal so dumm der Junge, dachte ich. Über seine
Freunde und Beziehungen außerhalb der Familie würden wir mit anderen Personen
sprechen müssen. Kai Kupka und der Schulleiter von Tobias’ Gymnasium standen
bereits auf meiner Liste.

    Â»Was war am Freitag?«, fragte Nina. »Da haben Sie Tobias
nicht gesehen?«

    Frau Maier schluchzte. »Nein. Ich habe für meinen Mann
das Frühstück gemacht. Und für Tobias. Um halb neun bin ich dann ins Studio
gefahren.«

    Ich wurde hellhörig, aber die Befragung war bei Nina in
guten Händen. »Was für ein Studio meinen Sie?«

    Â»Das Fitnessstudio.« Kerstin Maier nannte den Namen.

    Als Kriminalist freute ich mich über eine weitere Information,
die leicht zu überprüfen war. Als geschiedener Ehemann dachte ich: Warum müssen
sie bloß alle ins Fitnessstudio laufen?

    Â»Wie lange waren Sie dort?«, fragte Nina.

    Â»Bis ungefähr um zwölf Uhr.«

    Â»Sie haben ein langes Trainingsprogramm«, sagte Nina. »Ich
komme selbst auf höchstens eine Stunde.«

    Ich betrachtete Kerstin Maier etwas eingehender. Ich
schätzte sie auf Mitte vierzig, etwa zehn Jahre jünger als ihren Mann. Sie
wirkte tatsächlich so, als würde sie viel Zeit investieren, um in Form zu
bleiben. Sie hatte dunkelblonde schulterlange Haare, die perfekt frisiert und
vielleicht getönt, in jedem Fall aber ohne graue Strähnen waren. Obwohl ihre
Augen verquollen und ihr Gesicht von Trauer gezeichnet war, brauchte ich nicht
viel Fantasie, um mir vorzustellen, dass Kerstin Maier an anderen Tagen
attraktiv und anziehend wirkte.

    Â»Ich trainiere auch eine Stunde. Aber Freitag ist mein Wellnesstag.«

    Â»Was heißt ›Wellnesstag‹?«, hakte ich nach.

    Â»Das heißt, nach dem Training Sauna und Ruhephase. Dann
eine Massage. Danach eine kosmetische Behandlung.«

    Ich schaute ihr in die Augen. Die Beiträge für das Fitnessstudio
waren zweifellos wirkungsvoll investiert. Ich stellte mir Kerstin Maier im
Fitnessstudio vor und fragte mich, ob ihr Trainer, ihr Masseur oder ihr
Saunapartner sie vielleicht auch attraktiv fanden. Und ich überlegte, wie wohl
ihr Ehemann im Vergleich mit all den schönen und durchtrainierten
Fitnessmenschen in ihren Augen abschnitt. Der Gedanke erfüllte mich mit einer
Traurigkeit, die weit über das Mitgefühl für Peter Maier hinausging.

    Â»Gehen Sie öfter ins Studio?«, fragte Nina.

    Â»Dreimal in der Woche. Montag, Mittwoch und Freitag.«

    Daraus schloss ich, dass sie sich Dienstag und Donnerstag
vom anstrengenden Training erholen musste. »Was haben Sie am Freitag nach dem
Studio gemacht?« Ich wäre sicher nach Hause gefahren, um meine Sachen zu
waschen und mir einen schönen Tag zu machen.

    Frau Maier sagte: »Ich bin zum Mittagessen gegangen.«

    Â»Allein?«

    Â»Nein, mit einer Freundin. Das machen wir jeden Freitag.«

    Auf unsere Bitte hin nannte sie den Namen ihrer Freundin
und den des Restaurants. Das kannte ich sogar, allerdings nur vom Vorbeifahren.
Ich hatte anhand der davor parkenden Autos geschlossen, dass dieses Restaurant
außerhalb meiner Preisklasse lag.

    Sie erzählte von sich aus weiter.
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