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Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Titel: Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
Autoren: Cassandra Norton
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war, erkannte er. Sehr nervös. Er schwitzte und seine Finger rutschten wieder und wieder ab. St. John hörte ihn fluchen und wusste, dass er wirklich war. Und dann wurde alles dunkel.
    Als er die Augen öffnete, sah er als Erstes Walker. Sonst nur Weiß. Blind machendes Weiß. Der vollkommene Gegensatz zu jener Schwärze, in der er sich zuvor bewegt hatte. Und jetzt wusste er auch, dass er gerettet war. Wovor – daran erinnerte er sich allerdings nicht.
    „Wie geht’s, mein Junge?“ Walker hatte diesen freundlichen Onkelton angeschlagen, der ihn manches Mal wirklich wütend gemacht hatte. Jetzt allerdings erfreute er St. John maßlos.
    Er nickte, denn er hatte gespürt, dass seine Stimme versagte.
    Wie gerne hätte er gewusst, wo er sich befand und wusste nicht, wie er fragen sollte. Also formte er die Luft zu Worten. „Wo?“
    „Wo Sie sind? In Warwickshire. Auf dem Landsitz Ihrer Familie. Man hat sie von London wegbringen lassen.“
    St. John nickte. Er war müde. Unendlich müde.
    Die Flocken fielen so langsam, als bremse jemand ihren Flug. Dicke, runde Flocken. Eine neben der anderen.
    St. John betrachtete sie von einem Sessel aus, den man ihm an eines der Fenster gestellt hatte. Von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, war die Landschaft vor seinen Augen tiefer unter der weißen Decke verschwunden. Manchmal dämmerte er ein, und wenn er wieder zu sich kam, fehlten kahle Büsche oder eine steinerne Amphore, die zuvor noch sichtbar gewesen waren.
    Er tat nichts. Saß nur da, sah aus dem Fenster und von Zeit zu Zeit aß oder trank er etwas. Er wusste nicht, welches Datum man schrieb oder was in den Zeitungen stand.
    „Wie geht es dir?“, war der häufigste Satz, den er zu hören bekam. St. John drehte sich zu Elizabeth um, die leise eingetreten war und ihre Hand von der Rückenlehne hängen ließ, dass ihre Fingerspitzen sein Haar berührten.
    Er antwortete nicht. Ein „Soweit gut“ bekamen nur jene zu hören, die auf gar nichts anderes vorbereitet waren. Lizzy gegenüber konnte er offen sein und schweigen.
    „Ach, Richard …“, sagte sie und blickte ebenfalls auf den Schnee. „Wir sind alle so froh, dass du überlebt hast. Himmel … Walker hat nur Vater alles erzählt. Aber das, was Mutter und ich gehört haben …“
    Er schüttelte unwirsch den Kopf. Wollte nichts mehr hören von jener Nacht des Grauens. Mit schweren Beinen erhob er sich und stakte hinüber zu dem Tisch mit den Karaffen und Gläsern. Er nahm sich ein Whiskyglas und füllte es bis knapp unter dem Rand.
    Elizabeth sah zu ihm hin und wandte sich ab.
    Er wusste, dass sie sein Trinkverhalten missbilligte und es doch unkommentiert ließ. Dafür war er ihr dankbar.
    „Walker ist übrigens wieder in London. Er sagt, er müsse sich einen Fall noch mal genauer ansehen. Man hat einen weiblichen Torso entdeckt und er denkt, der könne vielleicht mit dem Ripper zu tun haben.“
    „Gewiss.“ Er wollte auch nicht über Walker sprechen. Den Mann, der ihn gefunden hatte. Halb tot. An ein Bett gefesselt. Beinahe entmannt. Und neben ihm die Leiche seines Peinigers.
    Walker, der nicht gefragt hatte, wer den Leibarzt des Kronprinzen getötet hatte. Und der auch nicht hatte wissen wollen, warum er St. John nicht befreit hatte, sondern nur anonym ihn und einen Arzt benachrichtigt hatte.
    „Er ist ein wirklich feiner Kerl, habe ich den Eindruck.“
    „Ja. Das ist er.“
    Walker, der nie einem Menschen erzählen konnte, wen sie da zur Strecke gebracht hatten.
    „Ich reise übrigens übermorgen ab“, sagte Elizabeth plötzlich mit munterer Stimme.
    „Aha. Und wohin? Bordighera?“
    Sie kicherte und schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Ich gehe nach London zurück. In Apsley-House wird es einen großen Ball geben. Ich habe mir extra ein neues Kleid machen lassen.“
    „Eine Tanzerei …“, sagte St. John leise, als handele es sich um eine ferne, heitere Erinnerung.
    „Ja, Bruderherz. Und du solltest mitkommen. Allein schon, weil Mutter darauf besteht, dass du hierbleibst!“
    Er leerte sein Glas. „Ich kann kaum laufen. Außerdem habe ich keine Lust, mich von allen angaffen zu lassen.“
    „Angaffen? Nonsens! Die Mädchen werden sich darum reißen, mit meinem wunderbaren Bruder zu tanzen.“
    „Ich will nicht tanzen!“
    Sein Schrei kam so plötzlich, so unerwartet, dass Elizabeth heftig zusammenschreckte und ihn mit weit geöffneten Augen anstarrte.
    „Ent… entschuldige. Ich wollte dich nicht beleidigen.“ Sie ging mit langen Schritten und
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