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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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ihre Hufe den Boden berührten.
    Sie waren auf der Bühne.
    Luke saß nur noch halb im Sattel, und als er abzusteigen versuchte, verfingen sich seine Füße in den Steigbügeln. Mit der rechten Schulter voran landete er kopfüber auf der Bühne. Als er endlich wieder auf den Füßen stand, war auch schon der Nachrichtensprecher Philip Twinings neben ihm und schrie ihn an.
    »Junger Mann, du hast die Menschen mit dem Tier zu Tode erschreckt. Du hast kein Recht …«
    Luke nahm Philip das Mikrofon aus der Hand.
    »Aber ich musste allen zeigen – dieses Pferd gehört der Bevölkerungspolizei. Sie hatten Pferde, auf denen sie Vergnügungsritte unternahmen, während alle anderen Hunger litten und verzweifelt waren. Mit dritten Kindern hatte das nichts zu tun. Es war nicht die Schuld der dritten Kinder. Und alles andere, was die Bevölkerungspolizei getan hat, auch nicht!«
    Philip nahm ihm das Mikrofon nicht gleich wieder weg.
    »Ah«, sagte er nachdenklich. »Wenn das deine Meinung ist, solltest du das Recht haben, sie hier auf der Bühne zu äußern. Aber es gibt Spielregeln, die befolgt werden müssen. Wenn du hier reden willst, musst du dich vorher anmelden, mit unserem Befragungskomitee sprechen und warten, bis du an der Reihe bist. Du kannst nicht einfach hier heraufstürmen, Menschen in Gefahr bringen …«
    »Ihr Befragungskomitee hätte mich niemals auf die Bühne gelassen, wenn ich um Erlaubnis gebeten hätte«, unterbrach ihn Luke. »Sehen Sie denn nicht, was vor sich geht? Haben Sie denn nicht zugehört? Es ist alles gestellt, alle sagen das Gleiche. Die Einzigen, die jetzt noch etwas sagen dürfen, sind Leute, die den Schattenkindern die Schuld geben und nicht der Bevölkerungspolizei. Aber das ist alles gelogen. Dritte Kinder haben niemandem Essen gestohlen. Sie haben die Bevölkerungspolizei auch nicht gezwungen, irgendjemanden zu schlagen. Dritte Kinder haben nicht die geringste Macht.«
    »Und woher willst du das wissen?«, fragte Philip Twinings.
    Luke hatte sich keine Antwort zurechtgelegt. Er war einfach nur verzweifelt. Philip Twinings griff nach dem Mikrofon, die Wachmänner rannten auf die Bühnentreppe zu und Luke spürte, wie seine Zeit dort oben verstrich.
    »Weil ich ein drittes Kind bin«, sagte er.

 
32. Kapitel
     
    Das Publikum verstummte schlagartig. Luke hatte das Gefühl, in Tausende Gesichter zu sehen, die ihn, jetzt, wo er vollkommen bloßgestellt vor ihnen stand, mit offenem Mund anstarrten. Es war, als sei sein schlimmster Albtraum wahr geworden.
    Die Reaktion der Menge war so erschreckend, dass Luke mehrere Minuten brauchte, um auf die Sicherheitsleute vor der Bühne aufmerksam zu werden:
    Sie hatten allesamt die Waffen gezogen.
    Luke erstarrte und fühlte sich seltsam resigniert. So endet es also, dachte er. Mit jeder Faser seines Körpers spürte er das Sonnenlicht, das ihm auf den Kopf schien, den leichten Wind, der ihm durch die Haare fuhr, die schreckliche Stille der Menschenmenge.
    In diesem Moment stellte sich Philip Twinings vor ihn und schirmte Luke mit seinem eigenen Körper ab.
    »Sie werden diesen Jungen nicht erschießen«, donnerte er mit einer Stimme, so mächtig wie die eines Propheten. »Wenn Sie es tun, müssen Sie mich zuerst erschießen. Und damit zerstören Sie jegliche Chance unseres Landes auf einen Neuanfang, jede Hoffnung auf eine ehrliche Regierung. Stecken Sie die Waffen weg!«
    Luke spähte hinter Philip Twinings Rücken hervor. Die Sicherheitsleute schienen zu zögern. Da stieg einer der Kameramänner von der Bühne, stellte sich direkt neben die Front aus Wachmännern und begann, einen nach dem anderen zu filmen.
    »Gut so!«, rief Philip Twinings. »Wenn Sie schießen, wird jeder Mensch in diesem Land wissen, wer Sie sind und was Sie getan haben! Schluss mit der Geheimniskrämerei! Schluss mit dem Vertuschen von Verbrechen!«
    Die Wachmänner steckten einer nach dem anderen die Waffe weg und hoben die Hände, als wollten sie ihre Unschuld beweisen. Der Kameramann blieb in der Nähe und behielt die Wachen im Auge.
    Hinter ihnen entstand ein Gerangel in der Menge. Eine Frau stand auf und hielt den Quilt in der Hand, den Luke fallen gelassen hatte.
    »Ich habe diesen Quilt angefertigt«, rief sie. »Er hat mir gehört.«
    Das Wort »gestohlen« verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Menge und das Geraune, »natürlich hat der Junge ihn genommen«, wandelte sich allmählich in laut ausgesprochene Beschuldigungen: »Was kann man von einem dritten Kind
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