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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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brachten Nahrungsmittel zurück in unser Dorf. Eli hat dir jemanden nachgeschickt, um dich zurückzuholen«, sagte Aileen, »aber niemand konnte dich finden.«
    »Oh«, sagte Luke verblüfft. Er erinnerte sich, dass er geglaubt hatte, der Wind rufe seinen Namen, und dass er es für einen Trick gehalten hatte. »Ich war so daran gewöhnt, in Gefahr zu sein und Angst zu haben, dass ich nie geglaubt hätte, ich könnte … einfach so … aus dem Versteck kommen.«
    Etwas an der Art, wie er das sagte, brachte die Leute zum Lachen. Doch es war ein freundliches Lachen. Hoffte er.
    »Ja«, sagte Luke, »und dann habe ich in einem anderen Dorf im Fernsehen die Nachrichten gesehen und bin hergekommen. Die anderen waren alle überglücklich, aber ich war mir einfach nicht sicher …«
    Er berichtete, wie er die Plakate in dem geheimen Zimmer entdeckt und das Gespräch zwischen Oscar und Aldous Krakenaur belauscht hatte.
    »Nein! Das ist gelogen«, schrie jemand aus der Menge. »Oscar Wydell ist kein – kein Kollaborateur!«
    »Halt den Mund«, rief jemand anderes. »Sind die Plakate nicht Beweis genug?«
    Dann begannen überall in der Menge Leute zu streiten und sich anzuschreien. Vorn griffen einige der Sicherheitsleute zu ihren Waffen, doch dann sahen sie zu der Kamera hinüber und zuckten die Achseln, als wollten sie sagen: Ist schließlich nicht unser Problem, was die Leute reden. Wer kann sie schon daran hindern?
    Luke trat vom Mikrofon zurück. Er schüttelte verwirrt den Kopf und versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Er hatte die Aufmerksamkeit der Menge verloren. Aber er konnte nicht sagen, ob es daran lag, dass die meisten seinen Worten glaubten, oder daran, dass sie auf Oscars Seite standen. Vielleicht sollte er seinen alten Trick anwenden und immer abwechselnd ein Auge zukneifen, so dass die Seiten hin- und hersprangen.
    Oscars Seite gewinnt … nein, meine … nein, Oscars …
    »Ah, der wunderbare Klang der freien Meinungsäußerung«, sagte Philip Twinings neben ihm.
    »Sie streiten doch nur«, antwortete Luke, immer noch benommen. »Die ganze Menge streitet sich.«
    »Ja, aber mit Worten und nicht mit Kugeln«, sagte Twinings. »Das ist viel, viel besser als das dumpfe Schweigen während der letzten Stunden. Oder der letzten dreizehn Jahre.«
    »Dann waren Sie also gegen die Bevölkerungspolizei«, stellte Luke fest. »Warum haben Sie das nicht gesagt? Warum haben Sie die Redner den ganzen Vormittag über dritte Kinder an den Pranger stellen lassen?«
    Philip Twinings seufzte. In seinen alten Augen schienen sich ganze Jahrzehnte des Schmerzes zu spiegeln.
    »Gestern Abend habe ich das Mikrofon abgestellt«, sagte er. »Aber heute Morgen – da hatte ich Angst. Die Lage schien sich geändert zu haben. Ich war sehr lange im Exil. Und ich wollte nicht zurück. Außerdem war ich ganz auf mich gestellt.«
    »Manchmal ist ein Einzelner genug«, sagte Luke.
    »Ja«, erwiderte Philip Twinings. »Und manchmal braucht es ein Kind, um den Erwachsenen die Wahrheit vor Augen zu führen.«
    Luke wollte erwidern: »Aber Sie haben mir geholfen. Sie haben dafür gesorgt, dass ich eine Chance bekam. Sie haben selbst Ihr Leben aufs Spiel gesetzt.« Doch er brach ab, denn der Lärm der Menge hatte jetzt einen Höhepunkt erreicht. Eine Gruppe Männer schien einen Entschluss gefasst zu haben.
    »Wir holen Oscar her! Er wird dir schon sagen, was Sache ist!«, hörte Luke einen von ihnen brüllen.
    »Ja, mach das! Ich will hören, was er zu sagen hat!«, schrie ein anderer zurück.
    Luke sah die Männer zum Hauptgebäude davoneilen.
    »Vielleicht solltest du jetzt gehen, junger Mann«, sagte Philip Twinings leise. »Zu deiner eigenen Sicherheit.«
    »Werden Sie denn gehen?«, fragte Luke.
    »Nein. Natürlich nicht.«
    »Ich auch nicht«, erwiderte Luke.
    Er dachte daran, wie sehr er sich im letzten Herbst, nachdem die Grants gestorben waren, einen Tag der Wahrheit gewünscht hatte, an dem er und seine Freunde in der Lage sein würden, erhobenen Hauptes aufzustehen und der ganzen Welt ihren wahren Namen zu nennen und ihre wahre Geschichte zu erzählen. Seinen Namen hatte Luke zwar nicht preisgegeben, aber alles andere hatte er erzählt. Ganz egal, was auch geschah, er war froh, dass er es getan hatte. Er hatte nicht die Absicht, sich wieder zu verstecken, sich im Stall zu verkriechen und sich vor jedem näher kommenden Schritt zu fürchten. Dieses Leben war für ihn endgültig vorbei.
    Jenny wieherte hinter ihm und er ging zu ihr
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