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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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Neuerliches Schlüsselrasseln. »Es tut mir furchtbar leid, aber Sie müssen sich einen Moment gedulden. Ich kann die anderen Schlüssel nicht finden.«
    Er hörte, wie sie sich von der Tür entfernte; wenn er sich nicht täuschte, ging sie am Stock. Und noch immer murmelte sie bekümmert vor sich hin: »Ach, je … Giorgio hat recht, es wird schlimmer mit mir … Ach, wo können sie bloß sein …«
    Zum Glück war es nicht kalt. Irgendeine Kletterpflanze rankte sich über die ganze Hausfront. Und doch merkte man, daß man nicht wirklich auf dem Lande war: Man konnte des Nachts zu gut sehen, weil der Himmel wegen der nahe gelegenen Stadt nicht richtig dunkel wurde. Weiter draußen dagegen sah man, falls nicht gerade Vollmond war, nicht einmal die Hand vor den Augen, dafür aber Sterne, Millionen von Sternen. Sie kam zurück … mit noch mehr Schlüsseln.
    »Ach …! Es tut mir furchtbar leid. Aber so ist das, wenn man alt wird …«
    Sie hantierte immer noch mit den Schlössern. Jeweils acht Umdrehungen, bevor eines aufsprang!
    Endlich aber öffnete sich die Tür, und eine hochgewachsene, würdige Dame blickte ihm entgegen. »Ach, ich bin wirklich untröstlich! Ich nehme mir immer wieder vor, sie da hinzulegen, wo ich sie griffbereit habe, aber dauernd kommt irgendwas dazwischen. Entweder das Telefon klingelt oder sonstwas, und ich ziehe mit den Schlüsseln in der Hand los, und schon ist es passiert. Ich hoffe, Sie verzeihen mir?« Sie sah ihn besorgt an.
    »Aber natürlich. Das passiert uns doch allen mal …«
    Eigentlich hatte er sich von diesem Spruch Einlaß erhofft, aber obwohl sie die Tür einen Spalt weiter aufmachte, mußte er doch bleiben, wo er war. Sie war sehr adrett gekleidet, ganz in Grau.
    »Giorgio hat recht, ich sollte meine Sachen mehr in Ordnung halten. Je älter man wird, desto wichtiger ist das. In meinem Alter kann man nämlich nicht mehr improvisieren. Ach, was müssen Sie nur von mir denken … Ich bitte vielmals um Verzeihung.«
    Eine zweite Absolution, begleitet von einer leichten Neigung des Oberkörpers, verschaffte ihm endlich Einlaß, und nun entschuldigte sie sich dafür, daß sie ihn so lange auf der Schwelle hatte stehenlassen.
    »Giorgio predigt mir das immer, und recht hat er, also er sagt: ›Halt gelegentlich mal den Mund und überleg dir, was du tust.‹ Aber natürlich vergess’ ich’s immer wieder – und dann das Alleinsein, wissen Sie …«
    Er folgte ihr in einen langgestreckten Raum, der durch einen Rundbogen in Speise- und Wohnzimmer unterteilt war. Ohne sich groß umzusehen, gewahrte er helle Farben, weiche Teppiche unter den Füßen, sehr viel Komfort und gediegenen Reichtum. Und außerdem jede Menge Zigarettenqualm.
    »Bitte, nehmen Sie Platz. Ich werde Ihnen alles erklären, und dann können Sie entscheiden, was zu tun ist – falls Sie mich nicht einfach für eine törichte alte Frau halten. Sehen Sie, ich sitze immer hier …«
    Der Eckplatz eines ausladenden Sofas mit hellem Bezug. Ein kleiner Stapel Taschenbücher balancierte auf der Lehne, und auf dem niederen Tisch dicht davor befanden sich Zigaretten, ein goldenes Feuerzeug, ein Glas und eine Flasche Whisky. Der Maresciallo setzte sich in den Sessel ihr gegenüber, legte seine Mütze auf die Knie und wartete. Er wußte aus Erfahrung, daß man den Leuten Zeit geben und sie ihre Beobachtungen auf eigene Weise erzählen lassen mußte, und falls sich herausstellen sollte, daß die alte Dame einfach nur einsam und ängstlich war und Zuwendung brauchte, dann würde er sich auch damit abfinden. Das einzig Peinliche war, daß man bestimmt hören konnte, wie sein malträtierter Magen knurrte.
    »Sie haben aber viele Bücher«, bemerkte er laut, um ein besonders geräuschvolles Kullern zu übertönen. Tatsächlich war die Wand hinter ihr vom Boden bis zur Decke mit wohlgefüllten Bücherregalen bestückt.
    »O ja, ich lese von morgens bis abends. Leider rauche ich auch den ganzen Tag. Darf ich Ihnen eine Zigarette …?«
    »Nein, … nein, danke, ich rauche nicht.«
    »Ich sollte eigentlich auch nicht, Giorgio predigt mir das andauernd … Aber in meinem Alter stehen einem nicht mehr viele Laster zur Verfügung, und darum genieße ich meine Zigaretten und abends einen Whisky oder zwei. Wenn Sie auch einen Schluck möchten, dann nehmen Sie sich doch bitte selbst ein Glas. In dem Schrank dort drüben.«
    »Nein, nein. Besten Dank.« Er hatte das Zeug seiner Lebtag nicht angerührt.
    »Mit diesem elenden Stock brauche
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