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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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Geschäft, auch wenn er sich hier den großen Aufwand hätte sparen können. Pecchioli spekulierte gar nicht darauf, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Er wollte es nur hinter sich bringen, damit er in seine sichere Zelle zurück durfte und einen Happen essen und eine Zigarette rauchen konnte. Der Saal hatte die Fotovorführung für eine gründliche Husten- und Schneuzrunde genutzt. Mindestens die Hälfte der Anwesenden waren nämlich in irgendeinem Stadium der Grippeepidemie befangen, die sich dank eines unnatürlich warmen Februars in ganz Florenz eingenistet hatte. Die Fotos wurden wieder eingesammelt.
    Die Verteidigung hatte für alle drei Angeklagten auf Totschlag plädiert, aber in Anbetracht der Nachwirkungen bestand da keine reale Chance. Im übrigen war Pecchiolis Anwalt in Gedanken vermutlich schon beim Mittagessen und einer guten Flasche Wein. Jedenfalls hatte er keinen Blick für den Staatsanwalt übrig, der wieder aufgesprungen war und seine Vernehmung fortsetzte.
    »Haben Sie Anna Maria Grazzini geschlagen, nachdem sie neben der Kommode hingefallen war?«
    »Nein. Ich hab sie niemals geschlagen. Nein!«
    »Wie erklären Sie sich dann die Verletzungen, die ich eben aufgezählt habe? Ich nehme doch an, Sie haben eine Erklärung dafür? Schließlich waren Sie dabei. Und Sie glauben, Sie hätten sie geschubst. Jedenfalls ist sie gestürzt. Was geschah dann?«
    »Ich wollte …« Seine Stimme versagte, er räusperte sich und schwieg. Die kleine Hand mit den abgekauten Nägeln tastete, ohne es zu berühren, nach dem Mikrophon, als ob das die Ursache für sein Verstummen sei.
    »Ich … sie war betrunken. Ich wollte sie dazu bringen, daß sie aufsteht.«
    »Und wie? Haben Sie sie getreten?«
    »Ich hab sie vielleicht ein bißchen mit dem Fuß angestoßen, wie Sie das auch getan hätten.«
    »Angestoßen!«
    »Ja, das haben wir alle gemacht. Sie war betrunken und wollte nicht aufstehen.«
    »Zu dem, was Sie alle getan haben, kommen wir gleich. Wo genau haben Sie sie denn ›gestoßen‹, wie Sie’s nennen? Oder wäre ›getreten‹ nicht doch der treffendere Ausdruck? Einer, der eher in Einklang mit Art, Ausmaß und Schwere der nachfolgenden Verletzungen stünde?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Inwiefern wissen Sie das nicht? Wollen Sie vielleicht andeuten …«
    »Es liegt an den Wörtern, die Sie gebrauchen. Die sind zu lang. Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen.«
    Einen Moment lang war der Staatsanwalt verdutzt, und man konnte ihm vom Gesicht ablesen, wie sehr es ihn wurmte, daß so ein erbärmlicher Wicht es gewagt hatte, ihn mitten im Satz zu unterbrechen und seine Wortwahl zu kritisieren. Aber er hatte sich gleich wieder gefangen und sprach nun so langsam und deutlich, als hätte er es mit einem Ausländer zu tun.
    »Haben Sie … Anna Maria Grazzini … getreten, nachdem Sie sie durch einen Schubs zu Fall gebracht hatten?«
    »Kann sein, ich …« Wieder versagte ihm die Stimme, und man sah seinen Adamsapfel hüpfen, während er mehrmals heftig schluckte. »Ich erinnere mich nicht mehr. Ich war stocksauer auf sie, weil doch Weihnachten war. Wegen dem Kind. Kann sein, daß ich ihr ’nen Tritt gegeben hab, genau wie die anderen. Sie wollte ja nicht aufstehen.«
    »Von wem kam der Vorschlag für das, was Sie als nächstes taten? Von Ihnen?«
    »Ich weiß nicht. Wir waren alle ganz durchgedreht. Wir sind alle zusammen drauf gekommen …. Ich weiß nicht mehr …«
    »Wer hat als erster angerufen?«
    »Chiara … Sie rief die Polizei.«
    »Chiara Giorgetti?«
    »Ja.«
    »Und telefonierte sie von der Wohnung aus?«
    »Nein. Sie ist mit den anderen zu einer Telefonzelle gegangen.«
    »Und Sie gingen nicht mit?«
    »Einer mußte doch bei dem Kind bleiben. Sie waren zu zweit, also konnten sie’s schaffen … sie haben es ja auch geschafft, daß …«
    Der Staatsanwalt ging nicht darauf ein. Die Geschworenen wußten bereits, was die beiden geschafft hatten, denn sie hatten schon die Aussage von Mario Saverino gehört, dessen Schluchzen inzwischen in rhythmisches Stöhnen übergegangen war. Während seines Kreuzverhörs hatte er ununterbrochen geweint.
    Nachdem er den Geschworenen einen Moment Zeit gelassen hatte, sich darauf zu besinnen, was an jenem Abend ›geschafft‹ worden war, fuhr der Staatsanwalt fort.
    »Sie wissen aber, was dieser Anruf bei der Polizei ergeben hat, denn Chiara Giorgetti und Mario Saverino haben Sie gleich anschließend verständigt, war es nicht
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