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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Autoren: Heinrich Steinfest
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diesem Land nicht viel. Ich könnte sofort fünf vollkommen unbedeutende Menschen nennen, die behaupten, mit Helmut Qualtinger nächtelang durchgezecht zu haben. Wobei wahrscheinlich in den siebziger und achtziger Jahren eine Menge Leute herumgelaufen sind, die behauptet haben, Helmut Qualtinger zu sein. So wie dann später viele Menschen vorgegeben haben, Falco zu sein. Das Doppelgängertum ist ebenfalls so eine österreichische Spezialität, die naturgemäß zu einigen Verwirrungen fuhrt und auch dazu, daß so mancher Berühmtheit nichts anderes übrigbleibt, als sich zu nie verübten Untaten zu bekennen. Man kann natürlich auch versuchen zu leugnen, aber das ist nicht wirklich sinnvoll. Wenn Sie also beim Wiener Heurigen, in einer Kitzbüheler Schihütte oder in einem Klagenfurter Seecafe einen berühmten Österreicher treffen, seien Sie skeptisch. Oder nehmen Sie’s mit Humor.
    Der angesprochene Falco ist ganz sicher der wichtigste österreichische Sängerstar am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen. Ihm fehlte jener unangenehme aufklärerische Pathos, der Leuten wie Danzer, Ambros oder dem Ostbahn-Kurti eigen war oder ist. Falcos kapriziöser, hochartifizieller Sprechgesang, seine kokette Pose, seine Betonung des »Ornaments«, sein spielerischer Umgang mit dem Kitsch und dem Klischee, seine Selbststilisierung als Kunst- und Kultfigur (und nicht wie bei den anderen als Weltretter und lässiger Gutmensch) machten ihn zum funkelnden Solitär. Seine Lässigkeit brauchte das Gute nicht. Er war ganz Entertainer, ein moderner österreichischer Dean Martin. Eben auch im Unterschied zu dem Zeigefinger-Punkrocker Franz Morak. Der »Zeigefinger« ist eine traurige Erscheinung des Austropops, Ausdruck einer sozialdemokratischen Bildungspolitik, die sich »linke Künstler« wünscht, so wie man sich Schokolade wünscht, die in der Hand nicht zergeht, oder Knoblauch in Pillenform, damit man nachher nicht stinkt. Gerade Falcos unpolitische, gleichzeitig populäre wie privatistische Haltung — nicht zuletzt auch sein internationaler Erfolg, seine undiskutierbare Bedeutung – ermöglichten ihm die Mißachtung der obligaten Zeigefingerverpflichtung für österreichische Popmusiker. Sein Liebäugeln mit dem »Rockstar« Mozart erscheint mir dabei mehr als ein purer Gag. Wie auch Thomas Bernhard suchte Falco nach größtmöglicher Autarkie im Rahmen größtmöglichen Erfolges. Und da paßte das neue Mozartbild ausgezeichnet.
    Dessen Wandlung gehört sicher zu den interessantesten Entwicklungsgeschichten der österreichischen Kulturrepräsentation (neben der Evolution des Schubertbildes und den diversen Anschauungen über den Justamentösterreicher Beethoven). Mozart stand lange Zeit für das, was Klein- und Großbürger wohl als »gottgefällige« Musik angesehen haben, als vertonten Ausdruck einer Demut, in der aber die katholische Lebenslust äußerst bequem und beinfrei (wenn schon nicht kopffrei) einsitzt. Der Höhepunkt dieses von einer Mozartkugel trabantenartig umkreisten romantischen Mozartbildes findet – wie alle romantischen Bilder – seinen optimalen Ausdruck in der Filmkunst der neunzehnfünfziger Jahre, in der Produktion Mozart — Reich mir die Hand, mein Leben (natürlich spielt Oskar Werner den Mozart, und natürlich spielt Johanna Matz die Konstanze). Wenn wir die fünfziger Jahre nicht hätten, wüßten wir nicht, wie rein und unschuldig und frei von einer bedrängenden Sexualität die Welt sein kann. Man sollte aufhören, die fünfziger Jahre als beispiellos verkitscht zu diffamieren. Diese Zeit mag voll von Lügen gewesen sein, richtig. Aber ist es nicht so, daß man sich einige dieser Lügen gerne zurückwünscht? Statt der Lügen, mit denen wir es heutzutage zu tun haben.
    Nach Oskar Werners silbriger Mozartdarstellung folgte die aufklärerische, nach Fakten schürfende Phase der intellektuellen Besserwisser, die aber vor allem herausfanden, wie Mozart nicht gewesen sein kann und wie man seine Musik nicht auffassen darf. — Und dann also, als auch die linken Soziologen bereits Diskotheken besuchten, betrat der Rockstar-Mozart die Bühne, diese Mischung aus David Bowie und Mick Jagger und einer kräftigen Prise John Travolta. Entscheidend für eine derartige Neuorientierung war sicherlich der Milos-Forman-Film Amadeus von 1984, in dem Tom Hulce den Mozart als schrill-charmantes »Springinkerl« interpretiert, gegen den Schluß hin jedoch eine Dunkelheit entwickelt, die vom Punkrockimage nur noch
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