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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Autoren: Heinrich Steinfest
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Flachländer zum Ausländer wird) führt unweigerlich – wie überall auf der Welt – zu unterdrückten oder offenen Ressentiments gegen den Gast. Der ja nicht wirklich ein Gast ist, sondern ein »Benutzer« und »Ausnutzer«.
    Die Landschaft und die Kultur verschandeln sich die Gastgeber natürlich schon selbst und die Österreicher mit ganz besonderem Eifer. Es herrscht seit langem eine unbedingte Unterwerfung unter die touristischen Ambitionen, welche stark utopische Züge tragen. Wäre es irgendwie möglich, würde man aus dem ganzen Land eine einzige Schischaukel machen. Diese Unterwerfung macht stolz (weil die Zahlen stimmen) und macht wütend (weil die »stimmenden Zahlen« so hart erkauft werden und man ungern als ein in Trachten geschweißter zentraleuropäischer Yeti dasteht). Wenn sich ein beliebter Musiker als DJ Ötzi verkauft, sich also nach einem Urmenschen benennt, dann hat dies eine bittere Note. Sieht so das Ende einer genetischen Entwicklung aus ?
    Am Anfang dieses Kapitels wurde bereits erwähnt, wie sehr Österreicher und Deutsche in einem Spiegelverhältnis leben und sich folgerichtig sehr nahe kommen. Das ist das Thema der Piefke-Saga, diese Nähe, dieses Herantreten an den Spiegel, um verwundert festzustellen, daß mit dem eigenen Gesicht etwas nicht stimmen kann.
    Der diffamierende Begriff »Piefke« ist der Arroganz, der D-Mark-Überheblichkeit der Deutschen zugedacht. Nun aber ist die D-Mark so futsch wie der Schilling, der sich immer an sie geklammert hat, und wir haben uns an Geldscheine gewöhnt, die sich wie das Falschgeld von Amateurgaunern anfühlen. Gleichwohl bleibt der Spiegel bestehen. Der Begriff »Piefke« hat allerdings seine energische Bedeutung eingebüßt, eher ist er ein Zitat, eine Erinnerung an Zeiten, als es noch echte Piefkes gab, die die größeren Autos besaßen und die größeren Klappen.
    Freilich darf man die Bedeutung solcher Reminiszenzen nicht unterschätzen. Die Österreicher werden nie ganz aufhören, sich den Deutschen unterlegen zu fühlen und diese Unterlegenheit dadurch zu kompensieren, daß sie sich für die besseren Menschen halten. Eine Strategie, die auch recht gerne beim Fußball zur Anwendung kommt. Oft scheint es, als seien die Österreicher geradezu stolz auf den schlechten Zustand ihres Fußballs, als wäre Erfolg im Fußball etwas Verdächtiges. Als würde zwar ein Fußballgott existieren, ein höchstwahrscheinlich bestechlicher Geselle, sich jedoch der wirkliche Gott mit Abscheu von lautstarken Triumphen abwenden. Der Österreicher sagt sich: Der bessere Mensch spielt den schlechteren Fußball.
    Den Bürgermeister und Hotelier in der Piefke-Saga verkörperte der geborene Tiroler Kurt Weinzierl, welcher auch — wen wundert’s? — dem bereits erwähnten Polizeipräsidenten Pilch in Kottan ermittelt seine Stimme und Gestalt gab. Dieser Pilch driftet von Serie zu Serie stärker in einen geisteskranken Zustand ab, entwickelt ein paranoides Verhältnis zu Stubenfliegen und Kaffeeautomaten und führt schließlich ein autistisches, von Größenwahnsinn geprägtes Präsidentendasein. Dies scheint wie ein Gleichnis auf die österreichische Bürokratie, die ich an dieser Stelle zwar nicht als geisteskrank einstufen möchte, aber als ausgesprochen hermetisch, undurchdringbar, unverstehbar sowieso, nicht ohne intimen Witz, nicht ohne großartige Gestalten, aber ausgesprochen labyrinthisch, kafkaesk, lange bevor es den Begriff gab.
    Die österreichische Bürokratie erweist sich dem Antragsteller gegenüber weniger als bösartig denn desinteressiert. Sie verfolgt die Leute nicht, sondern läßt sie im Stich. Das ist ein Unterschied. Ich selbst habe höchst bemerkenswerte Erfahrungen gemacht, indem ich eine deutsche Staatsbürgerin in Wien heiratete. Dazu war die Besorgung diverser amtlicher Bescheide notwendig, was aber gar nicht so sehr bedeutete, den üblichen Weg von Pontius zu Pilatus zu laufen, der ja ein langer, aber im Grunde gerader Weg ist, sondern einen schnörkeligen, wendungsreichen, einen amöbalen Weg zu gehen. Denn auch für den Umgang mit der österreichischen Bürokratie gilt, daß man, wenn man erfolgreich sein will, der Spur des Ornaments folgen muß, den Kurven und Spiralen, den Pünktchen und Strichchen, den Blümchen und Tierchen und vielen unlogischen Verästelungen. Die Logik hat hier nichts verloren.
    Ich kann mir nicht vorstellen, daß es viel schlimmer gewesen wäre, wenn ich eine Klingonin, Romulanerin oder gar eine
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