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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Autoren: Heinrich Steinfest
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Osteuropäerin hätte ehelichen wollen. Anläßlich einer besonders schwierigen behördlichen Komplikation fragte mich der zuständige Beamte vorwurfsvoll (und zwar allen Ernstes), ob ich denn meine, es gebe keine achtbaren, hübschen österreichischen Frauen, und ich darum also eine Deutsche heiraten müsse. – Der Dichter Bauernfeld drückt es so aus: »Zittre, du großes Österreich, vor deinen kleinen Beamten!«
    Natürlich könnte ich noch lange in diesem stammbaumartigen Strudel eines Wer-mit-wem-und-wann-und-wo verbleiben, möchte aber nur noch erwähnen, daß aus der Serie Kottan ermittelt eine Musikgruppe namens Kottans Kapelle hervorgegangen ist, die zusammen mit dem Cordoba-Helden Hans Krankl den Hit »Rostige Flügel« landete. Es ist das Prinzip des »österreichischen Helden«, wie eine kleine Überraschungsfigur an den unterschiedlichsten Stellen aufzutauchen und in die Höhe zu schnellen. Arnold Schwarzeneggers Erscheinen in der Zukunft (Terminator) sowie seine Zeitreise zurück in die amerikanische Wirklichkeit (Gouverneur) gelten vom österreichischen Standpunkt aus als ein schlichtes Zauberkunststück, nicht mehr und nicht weniger, nichts, was einen wirklich aufzuregen bräuchte.
    Ergänzt sei auch noch, daß der Piefke-Saga-Autor Felix Mitterer ein Stück mit dem Titel Sibirien schrieb, in welchem Fritz Muliar spielte, und zwar unter der Regie von Franz Morak, welcher 1988 – im Heldenplatz-Jahr — den Albin-Skoda-Ring erhielt, welchen man in diesem Fall wohl eher Anti-Peymann-Ring hätte nennen sollen.
    So sind wir also wieder bei dem unbeliebtesten Deutschen aller Zeiten angekommen, dem die Österreicher allerdings das so überaus wichtige psychotherapeutische Mittel der Erregung verdankten, außerdem die nötige organisatorische Modernisierung des Burgtheaters, die Verjüngung des Publikums, eine große Anzahl wichtiger Uraufführungen sowie — man muß das so sagen! — die Kaltstellung einiger Staatsschauspieler, deren eigentliche Bedeutung nicht künstlerischer, sondern gesellschaftlicher Natur gewesen war.
    Freilich muß auch bemerkt werden, daß Peymann gegen Ende seiner Amtszeit in Interviews den Eindruck leichter Verschrobenheit und einer Ichbezogenheit im Stil des Präsidenten Pilch hinterließ. Es schien so zu sein, als wären dreizehn Jahre Österreich auch an diesem Theatertitanen nicht spurlos vorübergegangen. Sein anfangs so schillernder Hochmut wirkte nun perforiert von einer zynischen Traurigkeit. Sein Abschied war vergleichsweise unspektakulär. Im Grunde wollte er ja bleiben, wie die meisten Leute, wenn sie zu lange in Wien weilen und praktisch so wienvergiftet sind, daß sie sich davor fürchten, mit ihrer Wienvergiftung anderswo nicht atmen zu können. Anderswo in viel zuviel guter Luft zu ersticken. Ja, Peymanns Ankündigungen, Wien verlassen zu wollen, waren in keiner Weise ernst gemeint gewesen. Gleich einem Liebenden, der, um eine bestimmte Frau zu heiraten, sich paradoxerweise vorher von ihr scheiden lassen möchte.
    Bedauerlicherweise besaß Österreich – in Gestalt eines weiteren sozialistischen Bundeskanzlers – nicht die Größe, die ungeschickt vorgetragenen Avancen Peymanns zu erwidern und diesem verdienstvollen Mann die Staatsbürgerschaft anzubieten, ihm erneut das Burgtheater zu offerieren oder vielleicht auch ein Ministeramt, anstatt ihn praktisch in die Wüste zu schicken oder wie man dieses neue Berlin auch immer bezeichnen möchte.
    Thomas Bernhard verstarb nur ein Jahr nach den Querelen um sein Stück Heldenplatz, und ich weiß nicht, wer alles bei der Nachricht von seinem Tod erleichtert ausgerufen hat, jetzt sei endlich die Bahn frei.
    Der Theatermacher Peymann lebt nun schon seit einiger Zeit fern von Wien, in einer Welt, die lange nicht so komisch ist wie die österreichische, lange nicht so dramatisch und so bühnenartig. Das ist schade, denn so deutsch und protestantisch Peymanns Wesen anmutet, so gut paßt er nach Österreich. Er ist der beste Spiegel, den wir je hatten. Man sollte ihn zurückholen.

Es ist lange her.  Aber wie die meisten Dinge, die aus einer Schatzkiste stammen, besitzt es einen ewigen, einen unvergänglichen Glanz. Ja, der Glanz steigert sich noch durch das Elend der Gegenwart. Dabei ist es sicher nicht so, daß jeder Blick in die Vergangenheit einer Täuschung unterliegt und man alles heller und funkelnder sieht, als es je war. Mitunter war der Schnee von gestern tatsächlich weißer als der von heute, mal abgesehen
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