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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Autoren: Heinrich Steinfest
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das Schicksal eines Sid Vicious übrigläßt. Daß dieser Film sich weniger auf die Historie als auf ein Theaterstück bezieht, konnte nichts daran ändern, daß vor allem das jüngere Publikum sich diesen Mozart mit pompöser Perücke, durchdringendem Gelächter und spitzbübischer Mißachtung der Autoritäten gerne als wahrhaftig vorstellte. Und es hat ja auch etwas für sich, wenn der von F. Murray Abraham gespielte Salieri zunächst erschrocken erkennen muß, daß Gott ausgerechnet einen obszönen Jungen ausgewählt hat, himmlische Klänge hörbar zu machen, um aber auch zu konstatieren: »Das war nie und nimmer die Musik eines dressierten Affen.« (Ich möchte tatsächlich behaupten, daß der Österreicher als Katholik sehr viel mehr als irgendein deutscher Christ die Ungerechtigkeit des Herrn akzeptiert. Natürlich nicht als Ausdruck eines Sadismus, sondern als etwas Raffiniertes und Delikates. Der Österreicher denkt sich Gott nicht als einen Moralisten, sondern als einen Ästheten. Und es ist natürlich sehr viel ästhetischer, einen frechen Lausbuben zum Genie zu machen als einen frommen Schulmeister. Das wiederum fuhrt dazu, daß Österreicher ihren Lausbübereien gerne eine genialische Note unterschieben und sie solcherart sowohl bedeutungsvoll erscheinen lassen, als auch von einer höheren Instanz gewollt, wenn nicht sogar initiiert.)
    Diese gewisse »fröhliche Frechheit« hat Falco in optimaler Weise zum Ausdruck gebracht, und sein »Rock me Amadeus« ist mehr als eine Anbiederung an die Berühmtheit eines zur Schokoladekugel komprimierten Jahrtausendkünstlers. Ja, während die Besserwisser ständig bemüht waren und sind, Mozart aus dieser Kugel zu befreien, hat Falco diese Kugel einfach riesenhaft aufgeblasen und also genügend Platz in und auf dieser Kugel geschaffen — was einen guten Weg darstellt, weil gegen Schokolade ja grundsätzlich nichts einzuwenden ist.
    Sehr viel unbekannter ist da Falcos erster Hit, den ich Interessierten gerne ans Herz lege, ein echtes Frühwerk, in dem alles steckt, was später kommt, weißer Rap, hell und leicht und süß und amüsant, auch wenn’s um Drogen geht. Das Lied heißt »Ganz Wien« und entstand unter Mitwirkung einer Meisterformation des Zeigefingers, der Anarcho-Band Drahdiwaberl. Wie bei Erstlingswerken üblich, besitzt diese Komposition ein flaumiges Federkleid, ein kükenhaftes Wesen und die unschuldige Ausgelassenheit einer Kindergartenparty.
    Erwähnt sei zuletzt auch, daß Falco, als er noch nicht Falco war (wobei man sich das schwer vorstellen kann, sowenig man sich vorstellen kann, daß Mozart irgendwann nicht Mozart war und irgendwann kein Komponist), daß der »Präfalke« also zumindest als Schauspieler einen Musiker verkörperte, einen Bassisten. Und zwar in einer Szene aus Kottan ermittelt, was ja nie und nimmer ein Zufall sein kann.
    Diese Serie steht bis heute für das Österreichische an sich, und zwar als ein Ausdruck des Unwirklichen sowie der Wiederholung des Unwirklichen, solange, bis es als das Normale erscheint. Die Wiederholung ist ganz wesentlich. So ist es auch bezeichnend, daß gerade die Sprachkunst des Thomas Bernhard auf formvollendeten Repetitionen beruht. Im Falle der Kottan-Serie steht die immer wiederkehrende und sich steigernde Präsenz gewisser Elemente — etwa die Selbstverletzungen des Polizeipräsidenten und sein Kampf mit einem ungnädigen Kaffeeautomaten — für die in diesem Land üblichen Drehbewegungen, wie wir sie beim Landler und bei dem aus dem Landler geborenen Walzer vorfinden.
    Ein Sinn dieser Tänze ist der, daß einem — nach und nach — schwindelig werden soll, nicht aber um der Übelkeit willen (wie die Feinde dieser Tänze meinen), sondern um die Übelkeit zu überwinden und den Rausch der Gewöhnung zu erleben. Einmal an den »Kottan« gewöhnt, an die dahinrasenden Topoi, wird man süchtig danach. Die Beendigung dieser Serie mündete quasi in eine Entziehungskur der Fernsehzuschauer. Aber Entziehungskuren sind mitnichten eine Spezialität der Österreicher.
    Neben dem Wunder des »Kottans«, ist es sicherlich die von Felix Mitterer verfaßte Piefke-Saga, welche im deutschsprachigen Fernsehausland das Bild des Österreichers geprägt hat. Hier sind es die Bergmenschen, die alpinen, dem Tourismus und auf brutale Weise der Natur verpflichteten Charaktere. Die Abhängigkeit großer Teile des Landes von der Bewirtung ausländischer Gäste (wobei in dieser Konstellation auch der Wiener und jeder
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