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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Autoren: Heinrich Steinfest
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Kriminalfilme Mann im Schatten (1961) und Kurzer Prozeß (1969), vor allem aber Qualtingers Darstellung des Fleischermeisters Oskar in der ersten Verfilmung von Ödön von Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald aus dem Jahre 1964. Auch wenn dies nur eine Nebenrolle ist, so kenne ich nichts, was einen mehr erschaudern läßt, als der Augenblick, da der stiernackige Oskar seiner Ex-Verlobten, der von Johanna Matz frei von jeglicher Bodenhaftung gespielten Marianne, erklärt: »Du wirst meiner Liebe nicht entgehen.« Dieser mit brachialer Weinerlichkeit vorgetragene Vampirismus greift tiefer in das Wesen des Österreichers als der angepaßte, im Grunde heitere Herr Karl, der wohl eher die kritische Sichtweise vom Österreicher als einem latenten Halbnazi erfüllt. Qualtingers Oskar aber ist echt und fürchterlich und unerschütterlich. Es war Qualtingers unverwechselbare Kunst, solche monströsen Gestalten (nicht zuletzt den Adolf Hitler, der Mein Kampf geschrieben hat) mit einer Materialität auszustatten, die das Monstrum als alltäglich erscheinen ließ. Und genau das ist ja der Fall. Das unterscheidet Qualtinger von anderen Schauspielern, die aus allem etwas Besonderes machen wollen, etwas verkörpern, was gar nicht da ist.
    Eher abzuraten ist jedoch von den berühmten Kooperationen von Qualtinger mit dem virtuos selbstherrlichen Oscar Bronner, dessen Nur-ich-weiß-was-gut-ist-Radiosendung den schönen Titel »Musik für Fortgeschrittene« trug. Schlager wie »Der g’schupfte Ferdl« oder »Der Papa wird’s schon richten« sind banal und ihrer Entstehungszeit verhaftet. Da sollte man viel eher zu Qualtingers Schwarzen Liedern greifen, die nach Gedichten von H. C. Artmann und Gerhard Rühm entstanden sind.
    Helmut Qualtinger gab seinem Sohn den Namen Christian Heimito. Jawohl, das bezieht sich auf den Schriftsteller Heimito von Doderer, den Autor der gigantomanischen Romane Die Strudlhofstiege und Die Dämonen und des surreal verschlungenen Wut- und Familienepos Die Merowinger. Doderer kannte Qualtingers Vater von der Luftwaffe her, und im Unterschied zu diesem erfaßte er früh Qualtingers Genie und wurde dessen väterlicher Freund. Doderer freilich stand für das alte Österreich, für eine im Grunde apolitische Vornehmheit besserer Leute, deren Liebäugeln mit dem Nationalsozialismus sie selbst als ein bedauerliches Mißverständnis interpretierten – man könnte von einem Paula-Wessely-Syndrom sprechen, einer Verträumtheit des Geistes. Jedenfalls verdanken wir Doderer den »totalen Roman« und den deutlichen Beweis, daß auch schlechte Menschen gute Bücher schreiben können. Und wir verdanken ihm die ebenfalls bei Musil erkennbare Kunst, riesige Romane über die Sexualität zu schreiben, ohne diese Sexualität auch nur einmal zu berühren.
    So spät Doderer zu seinem Erfolg kam (er sprach von einer Torte, nach der er sich immer gesehnt habe und die er nun, nachdem er sie endlich erhalten habe, nicht mehr imstande sei zu verzehren), so dominant war dann seine Position in den späten fünfziger Jahren und bis zu seinem Lebensende 1966. Thomas Bernhard soll anläßlich der Nachricht vom Tod Doderers erleichtert ausgerufen haben, nun sei endlich die Bahn für ihn frei. Denn Bernhards Österreich-Aversion war natürlich verbunden mit einem kindhaften Bedürfnis nach »familiärer« Anerkennung, die er dann auch reichlich bekam. Aber so wie Doderer seine Torte zu spät erhielt, um sie noch genießen zu können, waren die Torten, die Bernhard einstreifte, immer irgendwie vergiftet. Um es einmal so zu sagen: Bernhard hat bei aller Berühmtheit nie einen gut genährten Eindruck hinterlassen.
    Es heißt übrigens, Bernhards Stück Der Theatermacher sei vom unglücklichen Auftreten Oskar Werners beeinflußt worden, diesem herrlichen Schauspieler, dessen Rezitationen angeblich Mädels aller Alterklassen feuchte Höschen bescherten (vielleicht aber auch den Buben aller Altersklassen). Leider jedoch hielt sich Werner zudem für einen genialen Trinker und einen genialen Dramaturgen, was er beides nicht war. Auch trinken muß man können. Es ist ein klassisches austriakisches Phänomen, daß viele Menschen meinen, versierte Trinker zu sein, sich aber als bloße Dilettanten erweisen. Qualtinger hingegen konnte trinken, seine Vorträge in alkoholisiertem Zustand waren einmalig. Umgebracht hat ihn das Zeug freilich trotzdem. Organe sind Ignoranten.
    Hin und wieder soff Oskar Werner auch mit Udo Proksch, aber das heißt in
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