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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Autoren: Gabriele Keiser
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können. Es interessierte sie sowieso nicht, wann er Schule hatte und ob irgendwelche Stunden ausfielen.
    Früher, ja, da hatte sie ganz genau Bescheid gewusst. Da hatte er ihr nie etwas vormachen können. Nach dem Unterricht hatte sie stets mit dem Essen auf ihn gewartet und sich an den Tisch gesetzt, um sich mit ihm über Gott und die Welt zu unterhalten. Ei nfach nur ein bisschen reden. Wie es so war mit den anderen Kindern und den Lehrern. Das hatte ihm gefallen. Für seine Hefte hatte sie sich auch interessiert, die sah sie sich aufmerksam an. Er hatte sie ihr gern gezeigt. Auf seine guten Noten war er stolz gewesen.
    Doch in letzter Zeit hatte sich seine Mutter verändert. Jetzt redete sie fast nur noch mit ihm, wenn sie was zu meckern hatte.
    Er vermutete, dass sie einen Liebhaber hatte. Neulich hatte er einen Typen am Telefon, der ziemlich erschrocken war, als er, Stephan, den Hörer abnahm. Dann wollte er ihm erzählen, er sei ein Golfpartner seiner Mutter. Aber die Art, wie er ihren Vornamen aussprach, Irmela, hatte Bände gesprochen. Stephan lachte in sich hinein. Als ob er sich von so einem Typen verarschen ließe.
    Auf einmal hörte er Geräusche. Ob seine Mutter schon zurück war? Vielleicht war sie versetzt worden. Ein hämisches Grinsen schlich sich in sein Gesicht. Würde ihr recht geschehen.
    »Boah, richtig toll hier«, sagte eine Frau mit Babypiepsstimme. »Und es ist wirklich keiner da?«
    Dann erkannte er die laute, brummige Stimme seines Vaters. »Keine Angst, niemand zu Hause. Wir sind ganz ungestört, Mausi.«
    Mausi. Vaters Tussen hießen immer Mausi. Da gab’s auch kein Vertun.
    Stephan presste die Lippen zusammen und verhielt sich still. Sie gingen an der Küche vorbei. Seine Finger tasteten über seine Wangen. Kratzten an eitrigen Pickeln, bis es wehtat. Er hörte die beiden die Treppe hochgehen. Vorsichtig schlich er ihnen nach. Nun war er doch mit seinem Spiegelbild konfrontiert. Scheiße, wie ein Streuselkuchen sah er aus. »Mach dir nichts draus«, hatte seine Mutter beiläufig gesagt, »das ist normal bei Jugendlichen und geht wieder weg. Spätestens, wenn du Opa bist.«
    Haha. Darüber konnte auch nur sie lachen.
    Der Pickel, den er aufgekratzt hatte, brannte. Mist. Wahrscheinlich hinterließ er wieder eine kratertiefe Narbe.
    Sein Vater und diese Mausi verschwanden im Schlafzimmer.
    Ob Mutter wirklich nicht merkte, dass in ihrem Bett eine fremde Frau gepoppt wurde? Er konnte das einfach nicht glauben. So was roch man doch. Vielleicht wollte seine Mutter das aber auch gar nicht merken. Weil sie zu sehr mit sich selbst und ihrem Typen beschäftigt war.
    Manchmal fragte er sich, weshalb seine Eltern sich nicht schon längst getrennt hatten, wo doch jeder seine eigenen Wege ging. Aber die hielten ihn offenbar für blöd, so wie sie es fertigbrachten, in seiner Gegenwart auf heile Familie zu machen.
    Dabei hasste er nichts mehr als solch scheinheiliges Getue.
    Er schloss die Tür seines Zimmers hinter sich. Eigentlich wäre es jetzt an der Zeit, sich für die Schule fertig zu machen. Noch eine kleine Runde wollte er spielen. Vorsorglich schloss er ab und setzte sich wieder an den Computer.
    Schnell begann er, in die Tasten zu hämmern, und war sofort wieder von dem Geschehen auf dem Bildschirm gefangen.
    Du bist fällig und du auch gleich! Brauchst gar nicht abzuhauen. Nutzt dir alles nichts.
    Weg mit dem Geschmeiß! Die musste man alle abknallen. Gnadenlos vernichten. So was hatte kein Recht zu leben.
    Wütend ballerte er mit der Kalaschnikow los. Ra-ta-ta … wie die Fliegen fielen die.
    Er fühlte sich absolut im Recht, denn er gehörte zu den Guten, die die Bösen vernichteten. Die mussten einfach weg. Das war das Gesetz der Welt.
    Alles lief in der immergleichen Reihenfolge ab: Die Beute auswählen. Antäuschen. Verfolgen. Vernichten. Wer nicht selbst zerstörte, wurde zerstört.
    Er fand es toll, dass die Grafiken sich sehr verbessert hatten. Vorbei waren die Zeiten, in denen man zweidimensionale Figuren oder pixelige Monster bekämpfte. Die hier waren echten Menschen täuschend ähnlich. Killermaschinen, die loszogen, um zu töten. Damit das Blut, das floss, ebenfalls echt aussah, hatte er ein Bloodpatch installiert.
    Längst war dies seine Welt geworden. Eine Welt, sauber eingeteilt in Gut und Böse, die ihm mitunter realer vorkam als die Welt draußen vor dem Fenster.
    Hier bestimmte er, was Sache war. In den Weiten des Cyberspace gewann er jede Schlacht.
    Manchmal beschlich
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