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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Autoren: Gabriele Keiser
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Augen leuchteten. Mit beiden Händen fuhr sie sich durch die braunen Wuschellocken und sagte: »Guten Morgen, meine Zigeunerprinzessin. Na, gut geschlafen?«
    Ein heftiges Atmen drang jetzt aus dem Nebenzimmer. Harte, zischende Worte fielen, deren Sinn das Kind nicht verstand. Eine unbestimmte Ahnung beschlich es, dass dieses Mal vielleicht doch alles ganz anders war. Es krallte sich an Belli fest und hoffte so sehr, dass es sich täuschte. Sicher würde Mama morgen früh wie gewöhnlich am Herd stehen, fröhlich summend, um in einem silberfarbenen Stieltopf Honigmilch zu wärmen.
    Die Geräusche nebenan wurden immer lauter. Soldaten im Krieg stöhnten so, wenn sie verwundet waren. Das wusste das Kind aus dem Fernseher.
    Wie erstarrt lag es da mit Belli im Arm und wagte nicht, zu blinzeln. Seine weit aufgerissenen Augen brannten ein Loch in die Dunkelheit. Wie es sich auch anstrengte, das Gefühl, dass diesmal alles anders war, ging nicht weg. Das Mädchen hatte furchtbare Angst um seine Mama. Sein Körper hörte nicht mehr auf zu zittern, sein Herz war ein furchtsames Tier, das umherirrte wie die Gartenschläfer über ihm in den Wänden und Zwischenböden.
    Nur mit Mühe unterdrückte es einen Impuls, hinüberzulaufen in das andere Zimmer, um nachzuschauen, ob alles in Ordnung war, vielleicht auch, um Mama zu Hilfe zu eilen. Doch es traute sich nicht. Einmal, als es unvermittelt neben dem Bett gestanden hatte, in dem Mama mit einem fremden Mann zu ringen schien, war sie furchtbar böse geworden und hatte mit dem Kind geschimpft. Seitdem hatte es sich nie wieder getraut, zur Nachtzeit sein Bett zu verlassen. Auch wenn die Angst, dort drüben könne etwas Schlimmes passieren, noch so groß war.
    Ein Klumpen saß in seinem Hals, fest und kalt wie Eis. Ein Kloß, der sich nicht hinunterschlucken ließ.
    Bilder kamen auf es zugesegelt und nisteten sich in seinem Kopf ein. Hässliche Fratzen, die in böses Gelächter ausbrachen, sich aufblähten und verzerrten und es zu erdrücken drohten.
    Es schluckte und schluckte. Im Raum war ein Wabern und Sirren. Silhouetten formierten sich, zerflossen im Dunkel der Nacht, um an anderer Stelle wiederaufzutauchen. Über allem lag ein drohendes Flimmern.
    Weg. Nur weg von hier! Schon streckte es den Fuß unter der Bettdecke hervor, da gellte ein Schrei. Ein vielstimmiger Schrei, der sich klagend in die Länge zog.
    Dann war es plötzlich still. Auch die Gartenschläfer konnte man nicht mehr hören. Die Stille war jedoch viel unheimlicher und erschreckender als die lauten Geräusche zuvor.
    Mit dem Schrei war der Klumpen Eis in seinem Hals zerborsten. Es blinzelte heftig und versuchte, den schillernden Splittern nachzusehen, die auch dann noch durch die Luft tanzten, als es die Augen wieder geschlossen hatte. Es wartete eine Weile, jeden Moment damit rechnend, dass die Stimmen wieder ertönten. Aber im Nebenzimmer regte sich nichts mehr. Alles blieb ruhig, und allmählich normalisierte sich sein Herzschlag.
    Irgendwann in dieser Nacht hatte es zu regnen begonnen. Das Mädchen hörte, wie die Tropfen auf Büsche und Blätter fielen. Der Regen klopfte an die Fensterscheiben, malte leise, gleichmäßige Lautmuster. Es mochte das Geräusch der Regentropfen, von deren Klang etwas Beruhigendes ausging. Durch den gekippten Fensterflügel drang der Geruch von nasser Erde zu ihm ins Zimmer.
    Seine Lider wurden schwer. In das Rauschen des fallenden Regens mischte sich eine vertraute Klaviermelodie und Mamas Stimme, die ein Lied in einer fremden Sprache sang. Es war ein Lied, das Mama schon oft gesungen hatte. Hinter den geschlossenen Lidern sah es die unterschiedlichsten Blautöne – Türkis, Lapislazuli, Saphir – mit goldenen Funken darin. Ein nächtliches Sternenglitzern wie aus einem arabischen Märchen. Farben und Klänge verschlangen sich ineinander zu einer wundersamen Nachtmelodie. Gedankenfetzen, schön und schwer, lullten es ein und trugen es auf sanften Armen fort, hinein in einen wunderschönen Traum.
     
    Am Morgen begannen die Vögel früh zu singen. Die Luft war klar und seidig. Der Regen hatte Blätter und Büsche vom Staub befreit. Der Himmel war ein blank gewaschenes Blau, von dem eine strahlende Sonne leuchtete.
    Dennoch ließ das Mädchen eine innere Unruhe sofort nach dem Wachwerden aus dem Bett springen. Zuerst sah es in Mamas Schlafzimmer nach. Das leere Bett war zerwühlt, ein schwerer Geruch hing im Raum.
    Auf bloßen Füßen rannte es hinunter in die Küche. Niemand
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