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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition)
Autoren: Gunter Tschauder
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ungeliebten Bruder oder Nebenbuhler der Inquisition in die Folterkammer zu schicken. Denn seltsam ist es schon, dass nur in Friaul und Umgebung von geheimnisvollen Geschehnissen berichtet wird."
    "Du sollst, ungläubiger Mensch, die ganze Wahrheit über deine neue Herrin wissen."
    Nanini setzte ihren Bericht unbeirrt fort.
    "Wenn die Zeit gekommen ist, wird sie gerufen werden. Man kennt sie jetzt schon, sage ich dir, Marco. Man wird sie ansprechen. Sie wird gehen. Sie muss des Nachts dahinfahren. Ihre Seele wird aus dem Körper fahren. Der Körper bleibt starr im Bett zurück. Niemand darf ihn dann bewegen oder gar drehen. Die Seele kehrt sonst bei der Rückkehr nicht mehr in ihr Heim zurück. Für alle Zeiten wird sie unglücklich umherirren.
    Die Ausgefahrenen werden mit Fenchelzweigen gegen die Streghoni kämpfen. Mit einem Engel an ihrer Spitze schlagen sich die Benandanti für Christus und die Kirche. Sie verteidigen die gute Ernte. Andere Benandanti, die, wenn sie der nächtliche Ruf zu sich holt , besuchen die Prozession der Toten."
    "Was ist nun das schon wieder", fragte der Knecht.
    "In der Prozession der Toten, so heißt es, ziehen die Unredlichen nach ihrem Tod in einem stetigen Zug mit Traurigkeit und Verzweiflung, mit Ängstlichkeit und Bitte r keit durch die Welt der Geister.“
    Der Knecht schaute auf das gelbe, trockene Gesicht, auf dem sich die straffe Haut über den spitzen Knochen spannte. Die Hexe lebte in einer anderen Welt. Eine unglückliche Fügung hatte sie wohl in das Knochengerüst gesteckt. Ihre schwarze Kleidung verbarg nur notdürftig die menschliche Behausung.
    "Verwirf deinen verwirrten Glauben, Nanini", fuhr der Knecht sie böse funkelnd an, "dann wird kein Mensch was reden von Streghoni und Benandanti, von Geistern und den nächtlichen Kämpfern. Die Kirche mag es nicht, wenn ihre Lehren so verfälscht werden. Allzu leicht ist manch einer schon als Hexer oder Hexe auf dem Scheiterhaufen hingerichtet worden. Schür das Feuer dieser Qual nicht auch noch. Sonst bist du die erste, die es böse trifft."
    Mit plötzlichem Geschrei und bösen Verwünschungen gegen den Knecht fuhr die Nanini auf und eilte mit fliegendem Rock in ihre Kammer.
    Die kleine Gräfin schlief derweil unter einer seidenen Schlafdecke, die innen warm mit Fellen gefüttert war.
    Nanini aber reichte noch am selben Tag so manches Mal dem Mädchen ihre Brust. In Anw e senheit der Mutter, Gräfin Alessandra, zeigte sich das düstere Weib freundlich und recht lieb e voll. Kaum war sie alleine mit dem Kind, beschwor sie Tod und Teufel und versprühte ma n chen bösen Gedanken. Ihre trostlosen Gesänge von Hexen und Geistern, von undurchsichtigen Ängsten und Qualen umhüllten das Kind des Abends und Morgens . In der geistererfüllten Du n kelheit der Nacht tastete sich die Nanini an die Wiege, holte mit Widerwillen den Säugling he r aus und legte ihn mit Abscheu an die Brust. Dann begab sie sich mit dem Kind an der Brust wieder in ihr Bett. Nicht selten schlief sie dabei ein. Sie vernachlässigte die kleine Caterina, die mühsam unter einem ihrer Arme nach Luft rang. Wurde die kleine Frau wieder wach, erschrak sie von dem kurzen Atem des Kindes. Ihre Brust war kalt geworden und die warmen, feuchten, saugenden Lippen des Säuglings machten dem bangen Weibe Angst und mit Widerwillen legte sie ihn erneut zum Trinken an.
     
    Nach ein paar Tagen machte sich Nanini auf den Weg nach Castel San Gimignano. Die alte Berta war ihr Ziel. Die Wahrheit wollte sie erfahren, ihre Wahrheit, von der schrumpligen alten Frau, die ein zweites Gesicht hatte, die alle Heiligen und die Jungfrau Maria dazu um Rat und Eingebung anrief.
    Berta schnaufte wie ein alter Büffel. Jeder auch nur wenig annehmbare Tag führte die Alte auf die Straße. Zwischen zwei Häuserreihen hockte sie auf einem uralten, schief in den Boden g e rammten Grenzstein. Auf dem Stein war mit Hammer und Meißel die Zahl 1260 eingeschlagen. Manch einen gab es in der Stadt, der glaubte, die Berta sei älter als der Stein.
    In den Archiven war zu lesen, dass Bertas Mann vor vielen Jahren schon verstorben war. Der Chronist hatte als Todesgrund hinzugefügt, ihr Mann sei ihrer Weissagung gefolgt. Seither empfing die Berta ihre Kunden ausschließlich auf diesem Stein, die Frauen, alte Weiber und auch junge, hübsche und gar manchen Mann. Die Menschen lästerten und schimpften sie, wenn die Weissagungen nicht ihrem Wunsch entsprachen.
    Immer aber ließ sich die alte Berta schon vor
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