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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition)
Autoren: Gunter Tschauder
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sie den Knecht, die Wanne in den Wald zu gießen. Sie bekreuzigte sich dreimal, fiel bebend auf die Knie und murmelte mit zitternden Lippen Beschwörungen.
     
    Der Säugling sog die Milch des Grauens und Entsetzens in sich auf, die Amme fieberte und zitterte. Angstschweiß perlte auf der Haut der vollen Brust. Nanini wickelte das Kind in T ü cher und legte es geschwind in das kleine Bett. Mit einer vernichtenden Bewegung zischte sie: "Hexe, du."
    Mit vorsichtigem Schritt trat sie zur einzigen Fensteröffnung an der Wand und blickte auf die nasse Front der dunklen Fichten. Niedrig hängende Wolken saugten den Rest des Tages auf. In dem Gespensterwald heulte ein einsamer Fuchs. Nanini steckte die Impannata, die in einem Rahmen befindliche Wachsleinwand, vor die Öffnung. Sie verschloss selbst die untere Lüftung, und als sie das dicke Brett zur Eindämmung der Kälte vor das Fen s ter schob, bemächtigte sich ihrer ein Schaudern. Mit ihrem Tun verwehrte sie dem Diabolischen den Zutritt. Die Augen verrieten, dass sie den Leibhaftigen persönlich sah.
    Die Neugeborene war für sie eine Benandantin. Die Amme kannte die Kämpfe um Friaul zw i schen den Benandanti und den Streghoni. Fruchtbarkeitsriten waren der Sinn.
    "Höre zu, Marco", gab sie ihre Geheimnisse preis, während sie in der Cucina Wannen und Bo t tiche säuberte.
    "Höre zu, Marco", begann sie von neuem, "nicht nur Pferde und Kühe, Ochsen und Kälber, Schweine und Ziegen gibt es auf dieser Welt. Geister umgeben uns, Geister umschwirren uns. Geister verwirken unser Leben, Geister machen uns auch glücklich."
    Mit gerunzelter Stirn warnte Marco die kleine Hexe mit der hässlichen Hakennase.
    "Es gibt Gott und die göttlichen Engel im Himmel. Es gibt den Teufel und seine teuflischen Kumpane in der Hölle. In das eine oder das andere Reich werden wir nach unserem Tode g e hen. Gott wird uns belohnen oder strafen. Mit deinem Aberglauben wirst du dich in die Hölle reden.“
    "Lach du und mach dich lustig. Wir aus Friaul kennen mehr als andere die Unterschiede zw i schen den guten und den garstigen Geistern. Die guten Geister, sagt man, sind die Benandanti. Die bösen sind die Streghoni."
    "Na, dann ist ja gut, d u hast gesagt, die kleine Gräfin Caterina ist eine Benandantin, also ein guter Geist. Was sorgst du dich, hässliches Weib?"
    "Du wirst schon sehen, was es ist. Höre auf die Weissagungen der Berta."
    "Doch nicht auf dieses alte Pferdeweib. Die Berta sollte ihre Spindel zum Spinnen ihrer g e heimnisvollen Fäden wechseln. Dann wird es bessere Nachrichten geben", suchte der Knecht das Weib in seiner Nähe zu verhöhnen.
    "Ich sag dir, lach nur Bursche, in einer kommenden Zeit wirst du dich verfl u chen, nicht das Richtige zur rechten Zeit getan zu haben. Doch höre zu. Über Benandanti und Streghoni will ich dir berichten.
    In Friaul, in meiner Heimat, gibt es Geister, die fahren des Nachts aus ihren Körpern. Sie tre f fen sich an einem Ort, um gegeneinander zu kämpfen. Sie kämpfen um das Wohl der Me n schen. Sie kämpfen für eine gute Ernte, so die Benandanti. Sie kämpfen für eine schlechte Er n te oder für die Zerstörung der Frucht, so die Streghoni.
    Alle bekleidet Geborenen sind Benandanti. Das Kleid ist ein Zeichen Gottes. Ein Zeichen, das den Menschen Glück bringt."
    "Die kleine Gräfin hat dies gute Zeichen bei der Geburt getragen, also ist es gut für uns alle. Mach dir keine Sorgen, Balia, wir sind in einer guten Umgebung."
    "Auch die, die des Nachts für das Gute kämpfen, werden in ihrem Leben mit Verfolgung rec h nen. Sie können nicht frei sein und nicht glücklich. Andere sehen sie bei den Kämpfen auf den grünen Wiesen, wenn sie ihre Körper verlassen haben und sich nur der Geist dorthin bewegt. Die sie sehen, werden darüber berichten und es anderen erzählen. Man wird sie für Hexen halten und bestrafen. Auch die Kirche mag diese Benandanti nicht."
    "Sag an, Weib", fuhr Marco dazwischen, "wer hat dir von all dem Unsinn b e richtet?"
    "In Friaul verfolgt die Inquisition die Benandanti wie die Streghoni. Die Menschen sprechen darüber, wer Benandanti und wer Streghoni ist."
    "Mir scheint", verspottete der Bursche die hässliche Amme, "ihr in Friaul, ihr redet einfach zuviel. Ihr schwatzt von bösen Geistern und von guten. Für die Kirche kann kein Mensch ein Geist sein. Auch kein guter Geist. Es steht nicht in der Bibel. Wenn ihr darüber schnabuliert, verfolgt die Kirche beide. Ich denke eher, ihr schwatzt davon, um einen
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