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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition)
Autoren: Gunter Tschauder
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dem Turm des Palazzo Granduca nach Osten. Rundherum ließ man die Fackeln und Kerzen, Öllampen und Kienspane erlöschen, um deutlicher die unheimliche Erscheinung wahrnehmen zu können. Für eine Weile schien ebenfalls das dustere Stimmengemurmel ein Ende zu finden, als störte jedes auch noch so kleine Geräusch die Betrachtung des Wunders am sternenübersäten Firmament. Zwischen den Reihen der reichen Palazzi blies ein kühler Abendwind und machte die Sternenbeobachter frösteln. Immer mehr Menschen versammelten sich zu diesem Ehrfurcht gebietenden Schauspiel, und es schien so, als würde jeder von ihnen die Nähe und die Wärme des anderen suchen, um nicht alleine mit dieser Erscheinung fertig werden zu müssen. Wer könnte dieses Geheimnis erklären, wo waren die Priester, die das Zeichen Gottes erläutern konnten?
    Bald begannen sich verschiedene Gruppen um die Wissenden zu scharen, die ihre eigene De u tung der Geschehnisse laut verkündeten. Trotz aller unterschiedlichen Weissagungen führte die leuchtende Erscheinung am Himmel alle irrenden und verängstigten Menschen in einem Punkt zusammen. Das, was dort hoch am Himmel stand, war ein sichtbares Zeichen aus der jenseitigen Welt. Jeder wahrsagende Prediger, der seine Erklärungen mit fester Überzeugungskraft tönend von sich gab, hatte mehr Zuhörer als ein Studiosus der Naturwissenschaften, der die Erscheinungen mit natürlichen Begebenheiten zu erklären suchte. Schnell übertroffen wurde ein solcher Redner durch Prediger, die ihre finstere Bo t schaft mit den Drohungen der Hölle und den wachsenden Sünden dieser Welt untermalten.
    So hatte wohl der Stern von Bethlehem leuchtend über der Krippe des Jesuskindes gestanden. Ein solcher Schweifstern barg eine Botschaft Gottes in sich. Die Aufgabe der Menschen war es, die Botschaft richtig zu deuten und die wichtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Manch einem war es deutlich, dass das Ende der Welt nahte, das jüngste Gericht mit der Strafe Gottes für alle Übeltaten seiner Erdenkinder. Vor vielen Jahrhunderten schon, um die Wende des e r sten Jahrtausends herum, hatte man dieses schreckliche Gericht des allerhöchsten Herrn erwa r tet. Nun aber war es wirklich da. Die Menschen hatten genügend Sünden auf ihre Schultern geladen. Es war Zeit zur Umkehr, Zeit, seine Sünden zu bereuen, Zeit, alles Weltliche von sich zu werfen und die Gnade der göttlichen Vergebung zu erbitten.
    Andere fragten sich, ob Engel ihre sanften Flügel heilend über die leidende Erde und die Menschheit legten. Drohten gar die Fürsten der Unterwelt ihr Kommen an? Oder forderte der allmächtige Gott mit den leuchtenden Zeichen von allen ein sittenstrengeres Leben und mehr Nächstenliebe? Im Stadtbild von Florenz vermehrten sich die Träger von Kutten und Prieste r gewändern. Sitte und Moral versanken dagegen im Staub der Straße. Das wortgetreue Nachäffen der Heiligen Schrift wog mehr als überzeugte Frömmigkeit. Sünde und um sich greifende Häresie vervielfachten sich im Sturmwind, dem unbekannt gebliebene Erzeuger der Pest gleich. Die Inquisition machte auf alles Fremde Jagd. Eine mörderische Verfolgung en t fesselten die Herrenhunde der Kirche, so nannte man wenig schmeichelhaft die Dominikaner, auf alles, was abweichlerisch, nicht buchstabengetreu und einfach anders als gewohnt war. Die unerbittliche Verfolgung schien geradezu die Häresie anzuziehen, Hexen und Hexer in ung e ahntem Ausmaß zu vermehren. Inquisitorische Verhöre, menschenverachtende Folter und Morde versetzten die Verbliebenen in Angst und Schrecken. Grausame Kriege und die Bedr o hung durch die Inquisition, unheilvoller Sittenverfall, Armut, Seuchen und eine schier grenze n lose Arroganz der Mächtigen dem Volke gegenüber schürten Angst und Not. Sich vor dem Ungewissen fürchtend, schaute jeder mit frömmelndem Blick auf die Unheil verkündenden Ze i chen am nächtlichen Himmel.
    Der große Gelehrte Galileo Galilei, Mathematiker und Astronom, Lehrer und Schützling des Großherzogs, Cosimo II., nutzte die Gelegenheit, den Schweifstern mit seinem starken Fer n rohr und vor allem mit Vernunft zu betrachten. Schon früh hatte Vater Vincenzio Galilei seinen Sohn gelehrt, den selbsternannten Autoritäten in allen Bereichen nicht ungeprüft zu folgen. Er verlangte einen vollen Beweis für jegliche Behauptung.
    Bereits in jungen Jahren war Cosimo II. von Galileo Galilei unterwiesen worden. Die Darste l lungskraft und die Begeisterungsfähigkeit des
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