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Galaxis Science Fiction Bd. 11

Galaxis Science Fiction Bd. 11

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 11
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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nach Roggeween die Insel betraten, hatten den Eindruck, daß die Bildhauer eines Abends nach Sonnenuntergang ihre Werkzeuge niedergelegt hatten, um nach Hause zu gehen und nie mehr zurückzukehren. Warum sie nicht zurückgekehrt sind, das ist das wahre Geheimnis der Osterinsel.
    Wenn die Statuen so alt wären, wie manche Leute es gerne glauben möchten, dann könnte man als Erklärung an eine Naturkatastrophe oder eine Invasion anderer polynesischer Stämme denken, die die Bewohner der Insel von der Bildhauerarbeit abhielten. Aber da die Einstellung der Arbeiten nach Roggeweens Besuch stattgefunden haben muß, kommen beide Erklärungen nicht in Frage. Wenn es wirklich zu einer größeren Naturkatastrophe gekommen wäre, dann müßte man bei der verhältnismäßig kurzen inzwischen vergangenen Zeit ihre Spuren feststellen können. Und über größere Wanderungen polynesischer Stämme in jüngster Vergangenheit ist auch nichts bekannt.
    Die einzige Erklärung, die sich anbietet, wäre vielleicht eine Stammesfehde, in die die Bevölkerung der ganzen Insel verwickelt wurde. Wir wissen, daß auf der Osterinsel Kannibalismus getrieben wurde. Die denkbar größte Beleidigung war, zu jemandem zu sagen: ›Deines Bruders Fleisch hat zwischen meinen Zähnen gesteckt.‹ Es liegt im Bereich der Möglichkeit, daß der Mord an einem Häuptling mehr als die gewöhnliche Familienblutrache zur Folge hatte und einen Stammeskrieg verursachte.
    Unter solchen Umständen, würde natürlich die Arbeit ruhen und auch nicht so schnell wieder aufgenommen werden.
    WENN danach die Osterinsel wenigstens in Ruhe gelassen worden wäre, dann würden wir vielleicht heute aus den Erzählungen und Traditionen der Eingeborenen die Geschichte der damaligen Ereignisse rekonstruieren können. Im Jahre 1859 geschah jedoch etwas, das die Traditionen der Osterinsulaner zerstörte und die Bevölkerung so dezimierte, daß die Arbeit an den Steinstatuen bis heute unmöglich gemacht wurde.
    Peruanische Sklavenhändler überfielen die Insel, nahmen den Herrscher, die Oberhäupter der führenden Familien, die Priester und noch an die tausend Eingeborene gefangen und schleppten sie zur Sklavenarbeit auf die peruanischen Guano-Inseln. Der größte Teil der Osterinsulaner starb dort, der Rest wurde endlich von einem französischen Schiff befreit, das sie zurück in ihre Heimat brachte. Diese Überlebenden brachten jedoch die Pocken und die Tuberkulose mit, zwei Krankheiten, die die Osterinsulaner nicht kannten und gegen die sie auch nicht die geringste Widerstandskraft besaßen.
    Die Hüter der Traditionen – Patrizier und Priester, um die europäischen Ausdrücke zu gebrauchen, auch wenn sie nicht ganz passen sollten – waren durch diesen Zwischenfall alsoalle direkt oder indirekt umgekommen und die alten Überlieferungen der Osterinsulaner zerstört.
    Man schätzte die Bevölkerung der Insel im Jahre 1886 auf nur einhundertfünfzig Köpfe.
    Während die großen Steinstatuen schon den allerersten Besuchern der Insel aufgefallen waren, wurden die geheimnisvollen Schrifttafeln erst im Jahre 1860 – nach dem Überfall der peruanischen Sklavenhändler – entdeckt. Es waren kleine Holzbrettchen, und die Schrift wurde in einer Art und Weise geschrieben, die uns seltsam vorkommen muß. Jede zweite Zeile steht auf dem Kopf.
    Es gibt einen Spezialausdruck für diese Schreibweise, – boustrophedon. Der Ausdruck ist aus zwei griechischen Wörtern gebildet: aus ›Vieh‹ und ›umwenden‹. Das heißt nichts anderes, als daß man auf dieselbe Art und Weise, schreibt, wie man ein Feld umackert. Nachdem man mit einer Furche, fertig ist, dreht man um und fängt die nächste an. Beim Schreiben stellt für ›Furche‹ natürlich ›Zeile‹, und die darunterliegende Absicht ist wohl die, dadurch zu vermeiden, daß der Leser eine Zeile überspringt.
    Die Geschichte der hölzernen Schreibtafeln der Osterinsulaner ist wirklich bejammernswert. Als sie endlich entdeckt wurden, hatten die Eingeborenen schon lange ihre Bedeutung vergessen und benutzten sie für Haushaltszwecke, da Holz auf der Insel äußerst rar war und noch ist.
    Dann kam ein übereifriger französischer Missionar und ließ eine Menge von ihnen verbrennen, da sie in seinen Augen nichts weiter als verderbliche Überreste heidnischer Zeiten waren. Einige der Tafeln überlebten jedoch, sowohl das Autodafé des Franzosen als auch ihre Verwendung in dem Haushalt der Insulaner.
    NATÜRLICH waren die Anthropologen,
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