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Galaxis Science Fiction Bd. 11

Galaxis Science Fiction Bd. 11

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 11
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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das Ganze schließlich zu einer fixen Idee wurde.
    Fast immer haben sie so um die 30.000 Dollar unter ihrem Hemd versteckt oder unter ihrer Matratze oder auf einer Bank deponiert, und doch sterben sie alle den Hungertod. Wenn ich den Grund dafür herausfinden könnte, dann würde ich selber ein Stück schreiben können oder eines schreiben lassen. Ich würde einen Namen bekommen, vielleicht sogar einen Hollywood-Vertrag, wenn ich sie dann so spielen könnte, wie sie gespielt werden müßten.
    Deshalb also saß ich auf jenem wackligen Stuhl und versuchte, das Leben jener alten Frau auf dem Bett zu rekonstruieren, die lieber gestorben war, als einen einzigen Cent ihrer 32.000 Dollar für Essen auszugeben.
    TOD durch Unterernährung, verursacht durch senile Psychose«, sagte der Arzt und schrieb den Totenschein aus. Er wandte sich zu mir. »An dieser Sache ist wirklich nichts Geheimnisvolles, Weldon. Sie verhungern, weil sie sich vor dem Tod weniger fürchten als davor, ihre Ersparnisse angreifen zu müssen.«
    Ich hatte mich in die Lage eines alten Menschen versetzt, der vor Hunger immer schwächer wird und vor der Entscheidung steht, unbedingt etwas essen zu müssen selbst wenn es ihn ein paar Pfennige kosten sollte, oder zu sterben. Ich fand in die Wirklichkeit zurück und sagte: »Das meinen Sie.«
    »Und ich hoffe, meine Meinung wird Sie überzeugen, damit Sie endlich aufhören, uns noch länger mit ihren Besuchen zu beehren. Wie steht’s damit, Weldon?«
    »Das kommt darauf an. Ich werde damit aufhören, wenn ich sicher bin, daß Sie recht haben. Bis jetzt jedenfalls bin ich das noch nicht.«
    Er zuckte verärgert mit den Schultern und winkte zwei Wärtern, die die alte Frau aus dem Bett hoben und auf eine Bahre legten. Sie trugen die Leiche hinaus, und er und der Polizist folgten ihnen. Er sagte nicht einmal ›Auf Wiedersehen‹. Das tat er allerdings nie.
    Aber was kümmerte mich schon, ob ihm meine Besuche genehm waren oder nicht. Wichtiger war es, zu versuchen, diese alte Frau zu verstehen. Die Umgebung, in der ich mich befand, sollte mir dabei helfen. Die drückende Atmosphäre einsamer Verzweiflung und eines nutzlosen Todes lag auf mir wie eine schwere Last.
    Lou Pape stand vor dem einen schmutzigen Fenster des Zimmers und starrte hinaus. Er wartete geduldig, bis ich fertig wäre. Ich ließ meine Glieder steif werden, so als wären sie um dreißig Jahre älter, und versuchte mich in das Dilemma dieser alten Frau hineinzuversetzen, entweder vor Hunger immer schwächer zu werden und schließlich zu sterben oder ein paar Dollar von meinem Konto abheben zu müssen.
    Eine halbe Stunde lang arbeitete ich – in tiefster Konzentration, so wie man es als Stanislawsky-Schüler lernt, dann gab ich auf.
    »Der Doktor hat unrecht, Lou«, sagte ich. »Das möchte ich rein gefühlsmäßig behaupten.«
    Lou drehte sich um. Er hatte die ganze Zeit unbeweglich aus dem Fenster gestarrt, ohne sich dabei ein einziges Mal zu räuspern oder sonst etwas zu tun, was mich hätte ablenken können. »Er versteht sein Handwerk, Mark.«
    »Aber er versteht nichts von alten Leuten.«
    »An welchem Punkt kommst du denn nicht weiter?« versuchte er mir zu helfen. Er wußte, worauf es ankam, denn auch er war ein Stanislawsky-Anhänger, würde es noch sein, wenn ihm die Existenz eines Schauspielers auf die Dauer nicht zu unsicher erschienen wäre. »Kann denn für einen Psychopathen Geld nicht wichtiger sein als Essen?«
    »Gewiß«, stimmte ich ihm zu. »Bis zu einem gewissen Grad jedenfalls. So daß er beim Essen spart, ja. Aber wirklich verhungern, nein.«
    »Und warum nicht?«
    »Du und der Doktor, ihr beide denkt, daß das so einfach ist – zu verhungern. Aber das ist es nicht. Nicht, wenn man beim Bäcker altbackenes Brot kaufen kann oder ein paar Suppenknochen, die nur ein paar Pfennige kosten, oder welkes Gemüse, mit dem die Händler sowieso nichts anzufangen wissen. Jeder, der bereit ist, dieses Zeug zu essen, kann sich für praktisch nichts am Leben erhalten. Für praktisch nichts, Lou, und Hunger ist der beste Koch. Ich kann begreifen, wie jemand sogar die wenigen Pfennige dafür nur mit Widerwillen ausgibt. Aber ich kann nicht verstehen, wie jemand ganz aufs Essen verzichten kann.«
    ER zündete sich eine Zigarette an, was er bis jetzt unterlassen hatte, nur um mich nicht in meiner Konzentration zu stören. »Vielleicht waren sie schon zu schwach, um sich noch altes Brot und Suppenknochen und welkes Gemüse besorgen zu
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