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Galaxis Science Fiction Bd. 11

Galaxis Science Fiction Bd. 11

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 11
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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können.«
    »Das reimt sich nicht zusammen.« Ich stand auf. Von dem langen Sitzen waren meine Glieder jetzt wirklich steif geworden. »Hast du eine Ahnung, wie lange es dauert, bis man verhungert?«
    »Das hängt vom Alter ab, dem Gesundheitszustand, den körperlichen Anstrengungen, dessen man…«
    »Blödsinn!« sagte ich. »Es dauert auf jeden Fall Wochen.«
    ,,Na schön, dann laß es Wochen dauern. Wo steckt dann das Problem falls es überhaupt eines gibt?« Ich holte meine Pfeife aus der Tasche, die ich statt Zigaretten rauchte, und zündete sie an. Alte Männer scheinen gewöhnlich die Pfeife allem anderen vorzuziehen, obwohl sich das in der nächsten Generation ändern mag. Heutzutage gibt es immer mehr Zigarettenraucher, und sie bleiben auch bei ihrer Gewohnheit, es sei denn, der Arzt verbietet es ihnen.
    »Hast du schon mal ein paar Wochen lang gehungert, Lou?« fragte ich.
    »Nein. Hast du?« »Im gewissen Sinne, ja. Alle diese Fälle, zu denen du mich im Laufe der letzten Jahre mitgenommen hast –
    ich habe versucht, sie zu sein. Aber gut, sagen wir, es ist möglich zu verhungern, auch wenn du ein paar tausend Dollar auf der Bank oder im Strumpf hast. Sagen wir, du magst keine billigen Lebensmittel mehr einkaufen oder in die Volksküche gehen oder was weiß ich. Sagen wir, du vergräbst dich in deinem Zimmer und stirbst langsam den Hungertod.«
    Er entfernte einen Tabakkrümel von seiner Lippe und schnippte ihn umständlich fort. Er überdachte die Situation, die ich ihm skizziert hatte, aber noch schwieg er.
    »Es gibt die Wohlfahrt«, fuhr ich fort, »außer für die natürlich, die ihr Geld auf der Bank haben, was sich jederzeit nachprüfen läßt – Altersrenten, meinetwegen sogar als letzten Ausweg Betteln.«
    Er sagte: »Wir wissen, daß alle diese Leute völlig zurückgezogen lebten. Sie lehnten jeden Kontakt mit anderen Menschen ab.«
    »Selbst wenn sie anfingen, richtigen Hunger zu verspüren?«
    »Was du sagst, hat was für sich, Mark«, sagte er nachdenklich. »Bloß gehen wir wohl die Sache von der falschen Seite an. Was wir bis jetzt übersehen haben – eigentlich brauchen sie ja gar keine anderen Leute von sich aus um Hilfe zu bitten. Wenn sie sich plötzlich nicht mehr sehen lassen würden, dann würde das ihren Nachbarn auffallen, und bestimmt würde jemand nachschauen kommen – der Hausmeister oder der Hauswirt, irgendein Mitbewohner oder sonst jemand aus der Nachbarschaft.«
    »Und man würde sie finden, bevor sie gestorben wären.«
    »Das sollte man jedenfalls annehmen, oder?« meinte er zögernd. »Sie haben zwar für gewöhnlich keine Freunde und auch keine Verwandten, und wenn, dann nur sehr entfernte, die diese alten Leute kaum kennen und keine Ahnung haben, ob sie überhaupt noch am Leben sind oder nicht. Das hat uns vielleicht auf die falsche Fährte gelockt. Aber man braucht ja gar keine Freunde oder Verwandten, die unruhig werden und nachschauen kommen, wenn man sich eine Weile nicht hat sehen lassen.« Er hob den Kopf und schaute mir voll ins Gesicht. »Und was beweist das, Mark?«
    »Daß bei all diesen Fallen etwas faul ist. Und ich möchte herausfinden, was.«
    ICH überredete Lou, mich in das Präsidium mitzunehmen, wo ich mir von ihm die Sparbücher zeigen ließ, die die alte Frau hinterlassen hatte.
    »Sie hat sie ja wirklich sehr sorgfältig behandelt«, sagte ich. »Sie sehen noch fast aus wie neu.«
    »Würdest du etwa mit dem nicht sorgsamst umgehen, was für dich die wichtigste Sache auf der ganzen Welt ist?« fragte er mich. »Du hast doch gesehen, was die anderen hinterlassen haben. Genau das gleiche.«
    Ich schaute mir die allererste Eintragung näher an. 23. April 1907 – 150 Dollar. Die Tinte war dunkel, noch kein bißchen verblaßt. Ich machte Lou darauf aufmerksam.
    »War vermutlich nicht oft dem Tageslicht ausgesetzt«, sagte er. »Ich nehme an, sie verstecken ihre Sparbücher oder ihr Geld irgendwo und holen sie nur ganz selten hervor.«
    »Und das glaubst du wirklich? Ich kann sie mir zwar ganz gut als krankhafte Geizhälse vorstellen – aber nicht auf diese Art.«
    »Es waren eben ausgesprochene Psychopathen, Mark. So was kommt schließlich vor.«
    »Irgendwie komisch«, sagte ich. Lou manöverierte geistesabwesend seine Zigarette zwischen den Lippen hin und her, sog den Rauch tief ein und stieß ihn dann in kleinen Wölkchen unterschiedlicher Gestalt wieder aus, von kleinen Ringen bis zu schlanken Rauchsäulen. Was könnte er für Geld machen,
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