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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof
Autoren: Christine Lehmann
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Dort wirst du wenigstens eine kleine grüne Schachtel mit Turbostreifen finden.«
    Fängele schrumpelte.
    »Tja, da wird nun nix draus«, triumphierte ich der Qualle in die Falten. »Futsch Ihr Beweis, dass der Staatsanwalt Ihr bester Kunde gewesen sei.«
    Fängele senkte den Blick auf die Computertastatur. Seine Finger zuckten.
    »Welche Variante Adipoclear ist es denn?«, erkundigte ich mich. »Die vom Typ Physiotherapie oder die vom Typ Solarium und Sauna?«
    Fängele hob die Augen.
    Der Schwindel ungeheurer Erleichterung erfasste mich. Auf Fängeles Liste war Anette bis zum Schluss zum Physio therapeuten gegangen, Sally dagegen nur für eine Vierzehnta gesration, für die Fängele hundert Mark weniger, aber Schiller den vollen Preis kassiert hatte. Anette hatte den Lullaillaco-Erreger im Schlankheitswahn monatelang genommen, Sally nur vierzehn Tage lang. Sie und ich würden nicht sterben.
    »Was machen Sie da?«, hörte ich Richard sagen.
    »Wollen Sie den Datensatz wirklich endgültig löschen?«, fragte das geschwätzige Programm auf dem Bildschirm.
    Ich riss Fängele die Tastatur unter den Fingern weg.
    Er konnte wüst ausschlagen. Und er begnügte sich nicht damit, mir den Ellbogen in den Magen zu rammen. Überraschend schnell war Fängele auf den Beinen, packte mich an der Schulter und hieb mir den anderen Arm unter die Achsel, so dass es mich, getrieben von ungeheurer Gewalt, vom Boden lupfte. Meine Füße folgten einem unaufhaltsamen Drall zur Decke. Ein Effet wirbelte die Tischecke an meiner Nase vorbei, dann kam mir der Teppich entgegen.
    Als ich die richtige Perspektive wiedergewonnen hatte, sprang Richard eben aus der Reichweite von Fängeles Faust.
    In dem Elefantenbaby war der Terminator erwacht. Den Schreibtischstuhl räumte er mit einem Schlag aus dem Weg. Sein Mund war klein, das Fett erstarrte zur schieren Inkarnation von Gewicht. Sein Gang protzte vor Kraft.
    Dem Sumo-Ringer genügte ein kleiner Raum, um seinen Gegner plattzumachen.
    Ich verzichtete auf das zeremonielle Vorspiel und zielte mit dem Fuß genau auf die Hosennaht unter dem Reißverschluss. Hier schützte den Sumo-Ringer jetzt kein Mawashi. Fängele japste, plumpste rückwärts gegen den Schreibtisch und rutschte zu Boden.
    »Sie hätten sich in Japan mehr Zeit nehmen müssen, das Sumo-Ringen richtig zu lernen«, sagte ich.
    »Herr Fängele«, sagte Richard zeremoniell. »Sie sind vorläufig festgenommen.«
    Ich öffnete meine Hand mit der verschorften Scharte. »Und das rechtfertigt eine Hausdurchsuchung. Wenn Fängele den Blouson noch hat, in dem er mich und Sally am Funkhaus angegriffen hat, dann haben wir einen Beweis. Dann werdet ihr Hautpartikel von mir im Reißverschluss finden.«
    Erst jetzt bemerkte ich Gertrud, die klein und hochgereckt in der Tür stand.
    Welches verlogene Mode-Genie war nur auf die Idee gekommen, diese unerhört schimmernde Zweithaut von Leggins und Body zur Bekleidung zu erklären? Diese schamlosen Nähte!
    Sie blickte auf ihr Elefantenbaby hinab, das grau im Stoff seines Anzugs auf dem Boden schwabbelte. »Du hättest der Polizei sofort sagen sollen, dass das mit Schiller ein Unfall war«, sagte sie.
    »Aber stattdessen hat er auch noch Horst den Hals umgedreht«, erklärte ich.
    In Sekundenbruchteilen orientierte sich Gertrud neu.
    »Du?«, keuchte sie tonlos. Dann brach der Hass aus. Mit spitzen Füßen und geballten Fäusten stürzte sie sich auf ihren Mann. Ich konnte sie kaum einfangen.

32
     
    Die Friedenskirche schlug vier. Die Amseln kündigten den Morgen an. Der Supersänger in den Antennen der Staatsanwaltschaft schnalzte schmalzig. Kann mir jemand erklären, warum die Natur die wahren Prachtexemplare nur unter den Männchen hervorbrachte? Die Gockel mit dem glänzenden Gefieder, die Löwen mit ihrer mächtigen Mähne, die Paviane mit ihren prächtigen roten Ärschen.
    Richard schwebte in der Morgendämmerung über meine Türschwelle, warf den Mantel über die Stuhllehne und zog sich den Schlips aus dem Kragen, eine routinierte, aber leidenschaftliche Bewegung. »Er hat gestanden. Hast du einen Kaffee und ein Bett?«
    »Und ich hätte meinen Kopf darauf verwettet, dass Fängele nicht einmal rennen kann.«
    »Tja«, sagte Richard. »Du hast ein ausgesprochenes Ta lent, aus Irrtümern die ganze dumme Wahrheit herauszupopeln.« Mit einer sparsamen Schulterdrehung entledigte er sich des Jacketts, nahm den Mantel von der Stuhllehne und ließ das Jackett darübergleiten. Wohin nun mit dem
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