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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof
Autoren: Christine Lehmann
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Mord.«
    Fängele lachte, dass der Tisch auf seinem Schoß auf und ab sprang. »Ich nehme an, Herr Staatsanwalt, dafür haben Sie Beweise. So, haben Sie nicht? Dann sollten Sie das Fräulein aber schleunigst an die Kandare nehmen. Oder wollen Sie, dass sie Sie unglücklich macht?«
    »Mein Unglück überlassen Sie ruhig mir«, sagte Richard.
    »Außerdem«, setzte ich hinzu, »haben Sie ohnehin verlo ren. In dem Moment, da ich Ihr Haus betrat, begann Ihr Rück zugsgefecht. Das einzig Amüsante daran war für Sie, dass ich es nicht gemerkt habe. Würden Sie mir wohl mal den Generalschlüssel leihen?«
    Fängeles Hand fuhr in die Jackentasche. »Warum sollte ich?«
    »Lassen Sie uns nicht um einen Schlüssel kämpfen, der keine entscheidende Bedeutung hat.«
    Fängele rückte den Schlüsselbund heraus, zögerlich zwar, aber wider Willen neugierig. Ich ließ mir den Generalschlüssel zeigen, ging zum Fenster und öffnete es. Kalte Luft fiel ein. Das Gitter dahinter hatte tatsächlich ein Schloss, das sich mit dem Schlüssel öffnen ließ. Ich stieß es auf.
    »Eine Sicherheitsauflage«, bemerkte Fängele, »weil das Zimmer nur einen Ausgang hat.«
    »Wie die Feuertreppe um die Ecke«, sagte ich. »Die mussten Sie auch nachträglich anbauen. Mit dem Generalschlüssel können Sie auch die Notausgänge von außen öffnen.«
    »Könnte ich.«
    »Erinnern Sie sich, wo dieser Ihr Generalschlüssel war, als Schiller ermordet wurde?«
    Fängele flog ein zufriedenes Lächeln an. »Zufällig weiß ich das. Zufällig hatte ihn nämlich meine Frau. Sie können sie fragen. Sie wird Ihnen sicherlich auch sagen können, wozu sie ihn brauchte, falls das Ihre nächste Frage ist.«
    »Vielen Dank. Wollen Sie uns nun auch sagen, wo sich zu diesem Zeitpunkt Schillers Generalschlüssel befand? Nein? Aber ich kann es Ihnen sagen: In der Tasche des Toten war er nämlich nicht. Er hatte ihn bei Ihnen liegen gelassen. Hier auf dem Tisch vermutlich, als er gegen halb acht Ihr Büro verließ. Es muss heiß hergegangen sein bei dem Gespräch mit Ihnen. Als Schiller raus war, haben Sie auf den fremden Schlüssel gestarrt und nachgedacht. Sie gaben Gertrud erinnerungswirksam Ihren Schlüssel und stiegen mit dem von Schiller aus dem Fenster, kletterten die Feuerleiter hoch und öffneten den Notausgang im ersten Stock, wo, wie Sie wussten, Schiller die Drückbank zusammenschraubte. Leider hatten Sie zuvor nicht bedacht, dass die Tür des Notausgangs sehr laut ins Schloss fällt, und so hielten Sie es für besser, als Sie gingen, den Schlüssel zu verwenden, um die Tür leise von außen ins Schloss zu ziehen. Nachher standen dann zu viele Leute bei der Leiche herum, als dass Sie Schillers Schlüssel dort hätten unterbringen können. Ein kleiner Schönheitsfehler.
    Aber dafür bewiesen Sie Geistesgegenwart, als Sie gleich nach dem Mord Gertrud hochschickten, um mich zu einem Gespräch mit Ihnen zu bitten. Sie schilderten mir eindrücklich, dass Sie das Stemmen von Telefonhörern dem Stemmen von Gewichten vorziehen, weil man da nicht außer Atem kommt, aber Sie schwitzten ordentlich, wirklich auffällig.«
    »Quod erat demonstrandum.«
    »Ach was! Ich kann jederzeit meine Zeitung benutzen, um die Fragen an Sie öffentlich auszubreiten. Diese Verantwortungslosigkeit der Presse war Ihnen von Anfang an klar. Dem Staatsanwalt konnten Sie ins Gesicht lachen, wenn er einen Verdacht hatte. Bei mir durfte ein Verdacht gar nicht erst aufkommen.
    Während ich noch dachte, Katrin habe endlich ihren Mann beseitigt und unser aufrechter Staatsanwalt habe ihr dabei geholfen, sannen Sie schon auf eine finale Lösung. Und dann gleich drei Fliegen mit einer Klappe. Da haben Sie sich übernommen. Es ist halt nicht so leicht, jemandem den Hals umzudrehen, wenn man nicht in Übung ist. Das, Herr Fängele, nehme ich Ihnen übel. Meine Freundin liegt mit einem Kieferbruch im Krankenhaus, und was Sie Horst angetan haben, ist schlimmer als Mord. In einem toten Körper überlebt nur das Bewusstsein, ein verzweifeltes Bewusstsein, dem nichts bleibt, als Sie anzuklagen.«
    Die Irritation in Fängeles schlauen Augen dauerte nur kurz. Er vermutete einen Bluff. »Verstehe ich das richtig? Horst ist aus dem Koma erwacht? Das sollte mich freuen. Ich hoffe inständig, dass er wieder gesund wird, vollständig gesund.«
    »Nein«, sagte ich, »das wird er nicht. Wenn er jemals wieder reden kann, dann immer nur in den Etappen, in denen die Maschine ihm die Luft aus den Lungen
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