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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof
Autoren: Christine Lehmann
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Schlachthofhummer notiert hatte. Die besten Passwörter waren Zahlen. Kombinierte man sie mit Sonderzeichen wie Bindestrichen und Kommas, dann versagten alle Passwort-Suchprogramme. Das menschliche Gehirn besaß allerdings, anders als ein Computer, für abstrakte Zeichenfolgen keine besonders gute Merkfähigkeit. Manche notierten sich sogar die Bankgeheimzahl als Telefonnummer kaschiert.
    Fängele langte nach dem Telefon. Richard griff nach dem Büchlein. Fängele fuhr hoch. Richard hob beschwichtigend die Hand. »Nach Paragraph 163 b der Strafprozessordnung kann ich bei einer vorläufigen Festnahme Personen und mitgeführte Sachen durchsuchen. Aber ich will nur feststellen, wen Sie anrufen.«
    »Schau doch gleich nach einer Nummer, die keine Telefonnummer sein kann«, schlug ich vor.
    Fängele lehnte sich zurück, ein wenig rastlos die kleinen Elefantenaugen, immer noch lächelnd der Mund, eine Mimik, die kaum verbergen konnte, dass er fieberhaft nachdachte, während Richard in aller Ruhe blätterte und weiterblätterte und schließlich die Stirn runzelte. »Was ist das? Bei Zacharias eine Nummer mit Stuttgarter Vorwahl, aber nur vier Ziffern nach dem Bindestrich?« Richard drehte das Büchlein mit dem Gesicht zu uns. »Außerdem sind Vorwahl und Nummer sonst mit Schrägstrichen getrennt.«
    Ich tippte die Ziffern samt Bindestrich in die Tastatur.
    Das Laufwerk antwortete. Auf dem Bildschirm erschien eine Kundenliste. Der Datensatz umfasste 325 Einheiten von A wie Albrecht bis W wie Weber.
    »Eine Sicherungskopie«, sagte Fängele breit. »Falls wir uns mal einen Virus einfangen.«
    »Warum machen Sie dann so ein Geschiss darum?«, fragte ich und betrachtete die Ordner in dem Regal. »Trägt sich der Laden denn mit 325 Anmeldungen? Die Personalkosten für sieben Angestellte dürften die Einnahmen doch gänzlich auffressen. Nicht mitgerechnet die Kosten für die Wartung der Maschinen und den Unterhalt des Hauses.«
    »Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig, Frau Nerz. Aber wir stehen erst am Anfang.«
    Richard starrte unterdessen auf den Bildschirm. »Einen Physiotherapeuten beschäftigen Sie auch? Interessant.«
    Ich klickte mich mit der Maus in den Datensatz Anette Kaufmanns. »296 Mark monatlich für Physiotherapie. Das muss ja ein begnadeter Therapeut sein, wenn er so viel abgreift. Und Sally Simpson, einmal Physiotherapie für 148 Mark, dann Solarium auch für 148 Mark. Du meine Güte! Sie nehmen es aber von den Lebenden. Und da schau her! Herr Weber hat bei Ihnen monatlich ebenfalls 296 Mark gelassen. Ich wusste gar nicht, dass er so gebrechlich ist. Und hier, Vi cky Stenzel, drei Monate lang 200 Mark für den Therapeuten und genauso viel für Sauna, wohl das Honorar für Sozialfälle, aber doch auch wieder viel, wenn man bedenkt, dass die Sauna noch Baustelle ist, finden Sie nicht?«
    Fängele blickte nicht mich, sondern Richard an, der genau dasselbe dachte wie ich. Ein Dutzend Zeugen würden sich finden, die aussagten, dass sie weder den Physiotherapeuten in Anspruch genommen hatten, noch sich auf die Sonnenbank legten. Sie hatten stattdessen ein hochbrisantes Schlankheitsmittel bezogen.
    Blöd nur, dass Richard auch auf der Liste stand.
    »Damit«, bemerkte ich, »wollten Sie den Staatsanwalt erpressen, wenn es so weit ist, dass alles auffliegt.«
    Richard lachte auf. »Aber, Herr Fängele, ich bin Pedant. Ich hebe meine Kontoauszüge auf und führe über alle Barausgaben Buch. Da bleibt keine Lücke für ominöse Sonderzahlungen an Sie.«
    Fängele lächelte.
    Was gab es da zu lächeln? Ein Verlierer konnte nicht so lä cheln, nicht so heimtückisch und selbstsicher.
    »Ich glaube«, sagte Richard, »Sie sollten jetzt wirklich Ihren Anwalt anrufen.«
    Fängele lächelte immer noch und langte nach dem Telefon. Ich verstand: Er hatte noch etwas in petto. Um das auszuspielen, brauchte er seinen Anwalt als Zeugen und die Intimität von Richards Amtsstube.
    »Stopp!«, sagte ich. »Herr Fängele, wir haben Sie unterschätzt.«
    Fängele fiel das Lächeln aus den Backen.
    »Als Sie Herrn Weber in seinem Büro aufsuchten, ging es Ihnen nicht darum, ihm die harmlose Porno-CD zu überreichen und mir zu unterstellen, ich hätte sie Ihnen untergeschoben. Richard, hast du dein Büro mal verlassen, während Herr Fängele dort war?«
    Richard schüttelte den Kopf. »Halt, doch! Das Telefon. Frau Kallweit kommt mit der neuen Telefonanlage nicht klar.«
    »Dann solltest du mal hinter deine juristischen Werke gu cken.
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