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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof
Autoren: Christine Lehmann
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überleben sollte. Deine wirkungsvolle Verteidigung machte es ihm leichter, als er gehofft hatte. Er versuchte zwar, sich unschuldig zu reden, aber zuletzt musste er doch einräumen, dass er noch einmal zurückgekehrt sei, Horst den Strumpf vom Gesicht gezogen, ihn lebend vorgefunden und ihm den Hals umgedreht habe. Das Geständnis war ihm eine Erleichterung.«
    Die Kaffeemaschine sprotzte.
    »Und was ist, wenn er bei der Verhandlung widerruft?«, fragte ich.
    Richard ließ die Hände um die Manschettenknöpfe herumturnen. Der Mann war wirklich ungeheuer zugeknöpft.
    »Das wird ihm schwerfallen, denn er hat uns den Ort genannt, wo er Schillers Schlüssel in den Neckar warf. Taucher werden ihn dort finden. Den Mord an Schiller können wir Fängele zwar wahrscheinlich nicht nachweisen, aber für die Vorgänge am Funkhaus haben wir dich und Sally als Zeuginnen und Fängeles Blouson, der tatsächlich in seinem Schrank hing. Erstaunlich, wie ungern sich Dicke von schwarzen Ja cken trennen, in denen sie sich wohlfühlen. Er konnte sie überdies weder vernichten noch in die Reinigung tragen, ohne dass Gertrud Fragen gestellt hätte. Der Reißverschluss trägt Hautpartikel und Blut von deiner Hand. Notfalls bemühen wir den genetischen Fingerabdruck. Was macht der Kaffee?«
    »Gleich.«
    »Hm.« Richard fuhr sich mit der Hand ins offene Hemd und strich sich über Bauch und Brust zur Achsel hin. Kaum hatte ich den Kaffee ausgeschenkt, langte er nach dem Be cher, drehte sich um und ging in den Salon.
    »Und die Experimente mit dem Llullaillaco-Erreger? Hat Fängele das einfach so eingeräumt?«
    »Keineswegs. Er war sich verdammt sicher, dass wir in seinem Hause keine einzige Schachtel mehr finden würden, zumindest keine, die den Erreger enthielt. Nach Schillers Tod räumten er und Gertrud Schillers Schließfach aus, das auch zahlreiche Anabolika enthielt. Dabei schaffte Gertrud unbemerkt die letzte Schachtel als Reserve für sich selbst beiseite, die du ihr unter Einsatz deines Lebens abgetrotzt hast. Als wir Fängele damit konfrontierten, brach er zusammen. Er gab auf einmal auf, versuchte nicht einmal mehr, sich als von Dr. Ogu getäuschten Zwischenhändler darzustellen, klammerte sich an die einzige positive Leistung seines Lebens, nämlich, den Llullaillaco-Erreger identifiziert und einen Impfstoff gefun den zu haben.«
    Richard stellte den Kaffeebecher auf den Tisch, schälte sich aus Hemd und Weste, legte beides sorgfältig auf den Stuhl, richtete sich auf und fand, welche Überraschung, noch einen Knopf am Hosenbund.
    »Mein Gott«, er lachte leise auf, »hattest du eine Angst um mich!«
    »Na ja.«
    Richard stellte erst den einen, dann den anderen Fuß auf den Stuhl und zog die Schnürsenkel seines italienischen Schuhwerks auf. Sorgsam zog er Schuh für Schuh von der Ferse und paarte die Stücke unter dem Stuhl. Erstaunlich, wie viele Rücken-, Schulter- und Armmuskeln der Mensch brauchte, allein um Schuhbändel zu lösen. Verglichen damit war ein spöttisches Lächeln ein simple Angelegenheit.
    »Ich gebe zu«, sagte er, »ohne deine Ungezogenheit, deine Unverschämtheiten –«
    »Könnte man nicht auch einfach Hilfe sagen?«
    »Hilfe?« Richard zog die Brauen hoch. »Freilich, es war hübsch, wie du Fängele gezwungen hast, die CD zu identifizieren. Aber mit Verlaub, Fängeles darauf dokumentierte Steuerhinterziehung ist nur das Nebenprodukt eines illegalen Handels mit nicht zugelassenen Arzneimitteln. Und auch das ist eine Lappalie, verglichen mit der Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Mordversuchs in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung. Vorsicht!«
    Aber da hatte ich mir die Schnauze schon am heißen Kaf fee verbrannt.
    »Na gut«, räumte Richard ein, »ich gebe zu, ohne deine … deine Verachtung für einen Feigling wie mich –«
    »Gib doch nicht so an!«
    Er lachte, griff nach der Schullehne und schob sich, einen Fuß nach dem anderen hebend, die bordeauxroten Socken von den Füßen. Nackte menschliche Füße unter der Bügelfalte einer Hose waren eine befremdliche Angelegenheit. Doch Richard ließ mir keine Zeit, ins Philosophische abzudriften. Mit der tausendfach erprobten Sorge um die Unversehrtheit des Geschlechts und dem unnachahmlich selbstverständlichen Kippen des Beckens zappte er den Reißverschluss auf.
    »Noch Fragen?«
    Ich zögerte.
    Richard entstieg den Hosenbeinen. Den teuren Stoff legte er anschließend in seine Bügelfalten über die Stuhllehne. Sei ne Unterhose war ein
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