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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof
Autoren: Christine Lehmann
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presst.«
    Ein kleines Schweigen griff Platz, taktvoll angesichts eines fremden Schicksals.
    »Das tut mir alles sehr leid«, bemerkte Fängele dann. »Aber ich sehe nicht recht ein, warum ich dafür verantwortlich sein soll. Was habe ich denn mit Horst zu schaffen, dass ich zu so einer wirklich entsetzlichen Tat fähig sein sollte.«
    »Da könnte ich nur spekulieren, Herr Fängele«, sagte ich. »Und das sieht unser Herr Staatsanwalt gar nicht gern. Ob allerdings Gertrud noch loyal bleibt, wenn sie erfährt, dass nicht ich Horst so zugerichtet habe, sondern Sie, da bin ich mir nicht so sicher. Aber solange Sie nicht angeklagt werden, muss sie es ja nicht erfahren, gell?«
    Zum ersten Mal wurde es Fängele deutlich unbehaglich. »Für all das«, sagte er, »haben Sie nicht den geringsten Beweis.«
    »Nein«, bestätigte ich ihm fröhlich.
    »Dann ist es wirklich besser, wenn Sie jetzt gehen. Es mag ja sein, Frau Nerz, dass Sie eine Verleumdungsklage nicht fürchten, aber der Herr Staatsanwalt dürfte ein empfindlicheres Rechtsbewusstsein haben als Sie. Andernfalls müsste ich die Polizei holen.«
    »Ganz wie Sie wünschen«, nahm Richard das Wort. »Dann guten Abend.«
    Er wandte sich zur Tür, und in mir brach Fassungslosigkeit aus.
    »Ach übrigens, ehe ich es vergesse …« Richard drehte sich in der Tür um und kam zurück, in der Hand eine schillernde CD. »Das gehört doch Ihnen, wenn ich es recht verstehe. Die Art und Weise, wie mir diese CD zugespielt wurde, macht sie juristisch wertlos. Außerdem hält sich mein Interesse an derartigen Kunstwerken doch sehr in Grenzen.«
    Fängele blinzelte, beugte sich vor und strecke die Hand aus. Doch ganz schnell zog er die Tentakel wieder zurück. »Woher soll ich wissen, ob das meine ist?«
    »Es ist nicht Ihre«, sagte ich. »Ich habe sie Ihnen doch untergeschoben. Erinnern Sie sich nicht? Das haben Sie jedenfalls dem Staatsanwalt erzählt.«
    Endlich hatte ich das Messer drin in der Qualle. Sie wackel te, aber konnte nicht weg. Fängele begriff sofort die Tragweite seines Fehlers. Die CD, die Richard ihm geduldig hinhielt, musste die sein, die ich aus seinem Sportbuch entwendet hat te. Fängele wusste es, der Staatsanwalt wusste es. Blieb nur die Frage, wusste der Staatsanwalt auch, warum Fängele sie wiederhaben wollte, jetzt, da das kostbare Stück in Reichweite war. Und wie herankommen, ohne den Wert zu verraten, die sie hatte?
    Ich gab ihm Hilfestellung. »Unter uns Männern, wir haben alle Verständnis dafür, dass Sie nicht zuletzt vor Ihrer Frau solche Neigungen geheim halten wollten. Aber was reizt eigentlich einen Sportfeind wie Sie an dem obszönen Geturne auf Kraftmaschinen?«
    »Ach, wissen Sie«, schmatzte Fängele, »solange ich es nicht selber machen muss. Allerdings, auf die Dauer wird auch das etwas fad.«
    »Dann geben Sie sie mir«, sagte ich. »Für mich ist das nämlich durchaus neu.«
    »Das könnte Ihnen so passen.« Fängele wandte sich an Ri chard. »Die CD gehört wohl mir.«
    »Können Sie das beweisen?«
    »Das ist doch lächerlich. Aber meinetwegen.« Fängele fingerte über die Tastatur, um aus dem Datensatz auszusteigen, aus dem er Richards Namen gelöscht hatte.
    Richard ging erneut um den Tisch herum und trat neben ihn. Ich ging auf die andere Seite, um einen Blick auf den Bildschirm zu gewinnen. Fängele nahm die CD aus Richards Hand und lockerte den Krawattenknoten unter dem Dreifachkinn. Dabei fluppte ihm die Scheibe aus den Fingern auf den Teppich. »Ups!« Er stieß den Stuhl zurück und beugte sich vor. Plastik knackte unter den Stuhlrollen. Fängele kam ächzend wieder hoch, irisierende Trümmer in der Hand. »Wie ungeschickt von mir!«
    Mir kam der bittere Verdacht, dass sich Richard schon lange damit abgefunden hatte, dass er Fängele nicht gewachsen war.
    Das Bedauern der Qualle schlug schillernde Blasen. »Ist das jetzt sehr schlimm? Aber Sie sagten doch, Sie könnten sowieso nichts damit anfangen. Es wäre mir wirklich sehr peinlich, wenn ich Ihnen jetzt irgendetwas kaputtgemacht hätte.«
    »Ihre Sorge ist unbegründet«, sagte Richard gelassen. Plötzlich hielt er neben die Trümmer in Fängeles Wurstfingern eine zweite, intakte CD, ohne sich dabei auch nur die Andeutung eines Triumphs zu gestatten. »Dann nehmen wir eben diese. Die andere war die, die Sie mir in meinem Büro ausgehändigt haben. Diese hier ist jedoch zuvor aus Ihrem Büro entwendet worden.«
    Fängeles Linien flatterten.
    »Wo muss ich die jetzt
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