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Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel
Autoren: Kaja Bergmann
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sprechen.
    Â»Ich … Es war gestern.« Seine Stimme stockte. »Meine Freundin, sie war … sie war schwanger. Aber vor einer Woche, da gab es Komplikationen. Sie hat das Kind verloren.« Er zuckte. »Sie hat mein Kind verloren. Vorgestern ist sie …« Seine Lippen zitterten und eine einzelne Träne löste sich aus dem linken Auge. Ich beobachtete, wie sie über seine Wange glitt. Langsam. Lautlos. »Vorgestern ist sie gesprungen. Hier.«
    Mir stockte der Atem. Ich erinnerte mich an die Zeitungsmeldung, die ich noch heute Morgen eilig überflogen hatte, und schluckte.
    Â»Tut mir leid«, flüsterte ich traurig.
    Marc nickte nur heftig. »Wer bist du?«, fragte er leise.
    Â»Gabriel.« Ich bemühte mich noch mal um ein leichtes Lächeln, doch jetzt gelang es mir nicht mehr; mein Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Grimasse. Marc schien es nicht zu bemerken. Er starrte wieder gedankenverloren zum Abgrund vor uns.
    Â»Marc. Du brauchst Hilfe«, begann ich vorsichtig.
    Er lachte verzweifelt. »Klar brauch ich Hilfe! Ich sitze auf einem Dach und rede mit dem Erzengel Gabriel!«
    Â»Der bin ich nicht!«, unterbrach ich ihn sofort. Er schüttelte nur resignierend den Kopf und begann, mit dem Oberkörper leicht vor und zurück zu wippen. Erst jetzt fiel mir auf, wie jung er war. Wahrscheinlich um die fünfundzwanzig.
    Â»Marc. Du machst einen Fehler. Was dir passiert ist, ist schrecklich, keine Frage. Aber das ist nicht das Ende. Ich weiß, es fällt nicht schwer das zu sagen, aber ich … Ich kenne einen guten Psychiater. Wenn du willst, bringe ich dich gleich hin.«
    Marc lachte wieder. Es klang schrecklich traurig. »Nach diesem Gespräch hier brauche ich wirklich einen.«
    Ich stimmte in sein Lachen ein und hoffte, es ein wenig aufhellen zu können, aber es klang nur wie das kehlige Gelächter zweier Wahnsinniger. Er drehte langsam den Kopf. »Der beste Psychiater ist der Tod«, sagte er ruhig. Dann stand er blitzschnell auf, rannte die paar Schritte zum Dach und sprang.
    Ich sah alles in Zeitlupe. Plötzlich war ich hinter ihm. Schlang meine Arme um seinen schmalen Körper. Und fiel, eng an ihn gepresst, mit in den Abgrund.
    Wieder ging alles ganz schnell, wieder dachte ich nicht nach. Ich breitete meine Flügel aus, flog steil nach oben. »Du bringst dich nicht um!«, schrie ich gegen den Wind. »Hörst du? Du bringst dich nicht um!« Als Marc nichts erwiderte, schüttelte ich ihn und rief: »Versprich es mir!«
    Â»Ja …«, kam endlich die leise Antwort. Fast trug der Wind sie davon. »Ich verspreche es.«
    Â»Gut.« Ich nahm wieder Kurs auf den Boden, landete vor einem kleinen Backsteinhaus. Das weiße Metallschild blitzte so hell, dass es in meinen Augen schmerzte. Praxis Dr. Ludwig Finke, Psychiater. Daneben der kleine, runde Klingelknopf. Marc blinzelte. Die grüne Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und hatte einem fahlen Grauton Platz gemacht. Er sah plötzlich um zehn Jahre gealtert aus. Aber er lächelte. Zwar nur ganz leicht und nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber ich hatte es gesehen. Sicher.
    Â»Danke«, sagte er ruhig, dann drückte er die Klingel.
    Â 
    Ich hatte einem Menschen das Leben gerettet. Natürlich weiß ich, wie abgedroschen sich das anhören muss. Ich als der große, coole Held, der alles weiß und den nichts und niemand aufhalten kann. Der immer bereit ist, das Gute zu tun. Dessen moralische Werte über allem stehen. Dem alles gelingt, obwohl er fast nichts dafür tut. Doch so ist es leider nicht.
    Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist, als ich damals Marc rettete. Ich stand irgendwie neben mir und alles, was ich tat, tat ich nicht bewusst. Ich sah mir nur dabei zu, wie ich es tat. Es ging alles so schnell. Vielleicht hat »Es« die Kontrolle übernommen, das große Unbekannte (nein, nicht Stephen Kings Clown!). Oder einfach mein Unterbewusstsein. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich kein Superheld oder so was bin. Einfach, weil ich dafür zu feige wäre. Weil ich kein übergeordnetes moralisches Wertesystem habe. Weil ich die Bösen in Filmen und Büchern schon immer interessanter fand als die Guten. Es ist nur so: Wenn du eine ungerechte Situation siehst und weißt, dass das Leben eines Menschen in deiner Hand liegt, nur in deiner, und dass es dir ein Leichtes wäre, diese Hand
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