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Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel
Autoren: Kaja Bergmann
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hatte ich noch. Das war alles. Beinahe konnte ich zusehen, wie auch diese verschwanden. Als hätte jemand die Zeit beschleunigt. Nur für mich. Meine eigene kleine, beschleunigte Zeit. Die alle Schmerzen vergehen ließ, bevor ich mir sicher sein konnte, sie gefühlt zu haben.
    So schmerzhaft diese Erfahrung auch gewesen sein mochte, ich hatte eines herausgefunden – ich konnte nicht noch mal sterben. Mein Körper heilte in Sekundenschnelle. Schmerzen hingegen empfand ich sehr wohl. Wie musste sich erst der Schmerz anfühlen, wenn ich eigentlich schon längst hätte tot sein müssen? Wenn ich mich zum Beispiel erschießen würde. Mir wurde wieder schlecht und ich beschloss, den Gedanken zu verdrängen. Ich war nicht unverwundbar. Nur unsterblich.
    Wie war es mit dem Altern? Würde ich auch ewig jung bleiben? Oder würde ich altern, ganz normal, nur niemals sterben? Oder würde ich tatsächlich sterben, aber erst, wenn die Zeit reif war? Aber können Tote überhaupt sterben? Die erste Möglichkeit gefiel mir irgendwie am besten, obwohl sie mich an einen dieser neumodischen, theatralischen Vampirfilme erinnerte. Aber wie dem auch sei, ich würde es mit der Zeit herausfinden. Zeit hatte ich ja jetzt genug.
    Plötzlich wusste ich, dass mir die ganze Welt offenstand. Dass ich die große Freiheit hatte, von der andere nur träumten. Dass ich genug Zeit hatte, herauszufinden, was ich wollte. Wahrhaft alle Zeit der Welt.

Notizen
    Â 
    Puzzle
    Â 
    Das Puzzle hat 5.000 Teile. Ich weiß nicht, wie lange ich daran gesessen habe – es kommt mir vor wie mindestens ein Jahr, vielleicht war es auch nur eine Woche. Oder ein Tag? Eine Stunde? Kann sein, theoretisch; praktisch wohl eher nicht.
    Jedenfalls hatte ich es geschafft, 4.999 Teile mehr oder weniger passend zusammenzufügen, es entstand ein Bild. Ich bin kein Typ der rohen Gewalt, soll heißen: Ja, die Teile passten tatsächlich zusammen, ich hatte sie nicht verbogen oder brutal ineinander verkantet.
    Deutlich war nun zu erkennen, dass ein Bild entstanden war, doch was es genau darstellen sollte – keine Ahnung. Nur noch ein Teil fehlte, trotzdem war das Motiv nicht zu erkennen, es hätte alles sein können, alles und nichts. Eine Windmühle? Eine Stadt? New York vielleicht? Oder ein Dorf? Ein Meer, das Meer? Abstrakte Farben? Ich wusste es nicht. Müsste ich die Farbe des Puzzles beschreiben, ich hätte es nicht gekonnt.
    Nein, auf der Packung war es nicht vollständig abgebildet. Nein, ich habe die Packung nicht mehr, ich kann mich nicht mehr an sie erinnern, wahrscheinlich hat sie nie existiert.
    Wo das letzte Teil ist? Hier in meiner Hand. Warum ich es nicht endlich einfüge? Nun, ich habe es versucht. Schon seit einer Stunde versuche ich es, vielleicht auch schon seit einem Jahr. Ich habe rumtelefoniert und niemanden erreicht. Das Puzzle ist ausverkauft, ich kann es nicht mehr bekommen, vielleicht hat es ebenfalls nie existiert. Ein Puzzle, eine Schachtel – was macht das für einen Unterschied?
    Es passt nicht. 4.999 Teile passen, eines nicht. War denn alles umsonst? Sind alle 4.999 anderen Teile nichts wert ohne das eine, letzte? Ich könnte eine Ecke abschneiden, dann würde es halbwegs passen und wenigstens nicht verloren in meiner Hand liegen. Aber wozu?
    Egal, wie ich es drehe und wende; es passt nicht.
    Produktionsfehler.

Zwei Jahre später
    Â 
    In den letzten zwei Jahren habe ich viel erlebt. Aber nichts, was es wert wäre, erzählt zu werden.
    Ich sagte ja bereits: Ich bin kein Superheld. Ich rettete nicht jeden Tag fünf Menschen. Der Grund dafür ist einfach: Es geschehen nicht so viele Verbrechen, wie es uns die Filme über Superman und Co. weismachen wollen. Und von denen, die geschehen, erfährt die Menschheit nur die wenigsten. Und noch weniger davon erfuhr ich, wenn ich live vor Ort war. Wenn ich wirklich eingreifen konnte.
    Ein paar Mal jedoch geschah es tatsächlich. Dass ich Menschen retten konnte. Einmal schnappte ich ein etwa sechsjähriges Kind von der Straße, Sekunden, bevor ein Bus es erfassen konnte. Ich setzte es auf dem Bürgersteig ab und schwang mich wieder in die Lüfte. Am nächsten Tag las ich in der Zeitung die Schlagzeile »Kind angeblich von ‚Engel’ gerettet – dreht unsere Jugend durch?« und musste lächeln.
    Die meiste Zeit jedoch flog ich einfach herum. Genoss die Luft unter mir. Genoss, wie
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