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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau
Autoren: D Zinßmeister
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Schwiegertochter nicht übergehen, schließlich war sie die Frau des Hoferben.
    »Ich werde es diesem Weibsbild aber nicht sagen!«
    »Musst du nicht, Vater! Ich werde mit Sarah sprechen.«

    Einige Tage später, am frühen Morgen stand anna Maria, gekleidet in den Pilgerumhang und mit dem Pilgerstab in der Hand, auf dem Hof, um sich zu verabschieden. Liebevoll umarmte sie ihren ältesten Bruder Jakob, seine Frau Sarah und deren kleine Tochter Christel. Ihr jüngster Bruder Nikolaus klammerte sich an ihren Umhang. Ihm fiel der abschied besonders schwer, deshalb versuchte sie ihn mit leisen Worten zu beruhigen. auch die Knechte und Mägde hatten sich versammelt. Seit dem Tod der Mutter hatte anna Maria die Pflichten der Bäuerin übernommen. Sie hatte mit strenger, aber gerechter Hand die arbeit der Mutter fortgeführt und war beim Gesinde beliebt.
    Nun ging sie zu ihrer Schwägerin Sarah und bat sie freundlich: »Solange ich fort bin, möchte ich, dass du meinen Platz als Bäuerin einnimmst.« als Sarah etwas erwidern wollte, unterbrach anna Maria sie sogleich: »Ich habe mit dem Vater gesprochen. Er ist einverstanden und wird es zulassen.«
    Mit großen augen sah Sarah nun zu ihrem Mann, der aufmunternd seinen gesunden arm um sie legte. Dann wandte sie sich wieder anna Maria zu und nickte stumm.
    Die Magd Lena kam mit einem Bündel aus dem Haus gelaufen, das sie anna Maria mit den Worten überreichte: »Hier, mein Kind, damit du nicht verhungerst. Komm gesund mit deinen beiden Brüdern nach Hause.«
    Anna Maria war gerührt und rang für einen kurzen augenblick um Fassung. Doch rasch fing sie sich wieder und erwiderte lächelnd: »Ja, Lena, das verspreche ich!«
    Dann trat sie einige Schritte zurück und schaute hinauf zu der Stube ihres Vaters. Wie sie gehofft hatte, stand er am Fenster und blickte zu ihr herunter. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich vor allen von ihr verabschieden würde. Doch als er seine Hand zum Gruß hob, überkam sie ein Gefühl der Ruhe. Wärme breitete sich in ihrem Körper aus. Das tiefe Gefühl der Verbundenheit zwischen sich und dem Vater hatte sie viele Jahre
zuvor schon einmal spüren können. Damals, als ihr Bruder Peter schwer verletzt war und der Vater sie ins Vertrauen gezogen hatte.
    Sie hob den Pilgerstab, um den Gruß des Vaters zu erwidern, und schritt entschlossen zum Tor hinaus.

Kapitel 2
    Gegen abend schmerzten anna Marias Füße, und sie hatte Blasen an den Fersen. In einem Waldstück, etwas abseits des Weges, suchte sie sich an einem Bachlauf einen Schlafplatz für die Nacht.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog sie die neuen Lederbundschuhe aus, die der Vater ihr hatte anfertigen lassen. Erleichtert kühlte sie die Füße im kalten Wasser.
    Sie nahm ein Stück Brot aus dem Beutel und schnitt sich eine dicke Scheibe von der Grauwurst ab, die Lena ihr eingepackt hatte. Zufrieden und hungrig nahm sie ihr Mahl zu sich. Den Durst löschte sie mit dem klaren Wasser des Bachs. als sie nach einem apfel im Beutel suchte, spürte sie die kleine Glasflasche in ihrer Hand. Mit gemischten Gefühlen zog sie das Behältnis hervor. Ein Lichtstrahl brach sich im Glas und ließ die Flüssigkeit dunkelblau leuchten. anna Maria drehte die kleine Flasche hin und her.
    Schon einmal war ihr Bruder Peter dem Tod nahe gewesen, und nur weil der Vater besonnen gehandelt hatte, war er am Leben geblieben. anna Maria erinnerte sich genau an den Tag, der so harmlos begonnen hatte und beinahe in einer Tragödie geendet hätte.

    Mehlbach, November 1521
    Aufgeregte Stimmen drangen an das Ohr des schlafenden Mädchens. Zuerst hörte es diese nur schwach. Wie zarte Melodien, die langsam anschwollen, wurden die Geräusche lauter und weckten anna Maria. Die augen aber hielt sie geschlossen, sie spürte nur, dass ihre Nasenspitze und der rechte arm, der unverhüllt auf der Decke gelegen hatte, kalt waren. Fröstelnd zog sie den arm unter die warme Bettdecke und umschlang ihre Beine.
    »Es ist eisig geworden, nicht wahr?« vernahm sie eine Stimme.
    Erschrocken öffnete anna Maria die augen und schaute in das Gesicht ihres jüngsten Bruders Nikolaus, der vor ihrem Bett stand. »Bist du närrisch, mich so zu erschrecken?«, fuhr sie ihn an. Doch schnell beruhigte sie sich wieder, gähnte und fragte: »Was willst du?«
    »Mutter schickt mich. Du sollst mehr Mehl mahlen. außerdem sind die Tante und der Onkel von der Rauscher Mühle schon da.«
    »Dann sind sie aber sehr früh losgefahren«, sagte anna Maria
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