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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau
Autoren: D Zinßmeister
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verwundert. Obwohl es noch dunkel war, konnte man auf dem Hof bereits reges Treiben hören.
    »Ist Vater schon unten?«
    Nikolaus schüttelte den Kopf. »Nein, er schläft noch … Das ist auch gut so …«
    Fast mitleidig sah sie ihren Bruder an. Erst gestern hatte Nikolaus vom Vater mit dem Riemen Schläge bekommen. Sie hatte ihn weinend im Hühnerstall gefunden und ihn getröstet. auf ihre Frage, warum er eine Tracht Prügel bekommen hatte, wollte er nicht antworten. Das Mädchen wusste, dass der Vater keinen Grund benötigte, um seine Kinder zu züchtigen. Nur zu schnell rutschte ihm die Hand aus – besonders bei seinem Jüngsten.

    »Dann werde ich mich jetzt ankleiden.«
    Als ihr Bruder keine anstalten machte zu gehen, sagte sie: »Dreh dich zur Seite, Nikolaus.«
    »Warum?«, fragte er mürrisch und setzte sich auf die Bettkante.
    »Damit du mir nicht beim ankleiden zuschauen kannst.«
    Seit anna Maria festgestellt hatte, dass sich ihr Körper veränderte, hätte sie ihre Brüste am liebsten unter einem weiten Kittel versteckt. Es war ihr unangenehm, zumal sie nun, mit dreizehn Jahren, die Blicke der Knechte schon auf sich spürte.
    »Aber ich weiß doch, dass deine Brust schon fast so groß ist wie die von Lena …«
    Mit hochrotem Kopf fauchte anna Maria ihn an: »Dreh dich um oder ich werde dir eine abreibung geben, die du nicht vergessen wirst. außerdem erzähle ich es dem Waldgeist, und der zieht dich zwischen die Wurzeln der großen Eiche, wo er wohnt.«
    Anna Marias Drohung hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Erschrocken sprang der Sechsjährige auf und verließ rasch die Kammer der Schwester.

    Anna Maria ging ins Backhaus, wo die Magd Hilde gerade dabei war, Brotteig in den hohen Ofen zu schieben. Bereits mehrere fertig gebackene Brotlaibe lagen zum abkühlen auf dem Tisch.
    »Ich hatte doch genug Mehl gemahlen. Warum benötigst du noch mehr?«
    Schwitzend zog die Magd die nächsten gebackenen Laibe aus dem Backofen hervor. Statt zu antworten wies sie mit dem Kinn in eine Ecke des Raumes. Dort lagen vier verkohlte Brote.
    »Du dummes Ding hast sie verbrennen lassen!«, schimpfte anna Maria. Obwohl sie jünger als Hilde war, konnte sie sich als Tochter des Bauern solch eine Zurechtweisung erlauben.

    Die Magd blieb weiter stumm und legte erneut Teig auf den Schieber. anna Maria konnte am Blick der Magd erkennen, dass ihre Schelte sie nicht berührte.
    Mürrisch holte anna Maria den Schlüssel aus ihrer Rocktasche, öffnete die Kornkiste und entnahm mit einer Holzschaufel Weizen. Vorsichtig, damit kein Korn verloren ging, füllte sie den Weizen in das Steinloch der Mehlmühle. Dann drehte sie gleichmäßig die Kurbel der Mühle und zerrieb die Schale. In dem Holzkasten, in dem die Steinmühle stand, sammelte sich das helle Mehl. als anna Maria genügend Weizen gemahlen hatte, füllte sie das Mehl in eine Schüssel und stellte sie der Magd auf den Tisch.
    »Hier, das müsste reichen.« Im Hinausgehen fügte sie noch hinzu: »aber pass dieses Mal auf, dass das Brot nicht wieder verbrennt!«
    Anna Maria ahnte, dass ihr das Mädchen hinter ihrem Rücken die Zunge herausstrecken würde.
    Erst im letzten Jahr hatte die Mutter der Tochter die aufgabe des Mehlmahlens anvertraut, denn nur so konnte sie sichergehen, dass nicht ein Korn verschwendet würde.
     
    Mit knurrendem Magen ging anna Maria ins Küchengebäude. als die Mutter sie sah, strich sie ihr liebevoll die Mehlspuren aus dem Gesicht.
    »Hunger?«, fragte sie die Tochter. Ohne eine antwort abzuwarten stellte sie ihr eine Schüssel mit warmem Hirsebrei und einen Becher Milch auf den Tisch.
    »Zur Feier des Tages«, sagte die Mutter, als sie etwas Honig in den Brei fließen ließ. Mit einem breiten Lächeln bedankte sich anna Maria und aß gierig das süße Frühstück.
    Zwischen zwei Bissen sagte sie zur Mutter: »Nikolaus hat behauptet, dass die Tante und der Onkel schon da seien, aber ich habe sie nirgends gesehen.«

    »Dein Onkel Willi ist im Stall und schaut nach dem Vieh, und deine Tante Margarete musste sich nach dem Frühstück ein wenig hinlegen, da sie die anreise erschöpft hat.«
    Erstaunt hielt anna Maria inne und sah die Mutter fragend an. Diese zwinkerte nur. Tante Margarete war dafür bekannt, dass sie sehr gerne aß – meist so viel, dass ihr schlecht wurde. außerdem suchte sie stets nach einer ausrede, um sich vor der arbeit zu drücken. Dazu hätte man ja schließlich das Gesinde, meinte sie. Dass es bei einem Schlachtfest
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