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funny girl

funny girl

Titel: funny girl
Autoren: Anthony McCarten
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fragte sie. »Baba? Der Goldfisch? Wo kommt der her?«
    Das Konservengelächter der Comedyshow war sehr laut. Aristot hob die Stimme, aber den Bildschirm ließ er nicht aus den Augen. »Deine Mutter. Sie sagt, ich sehe zu viel fern – ich sollte mir… sollte mir ein Hobby zulegen. Und das habe ich getan.«
    »Einen Goldfisch?«
    »Mein neues Hobby. Gerade jetzt sehe ich ihm zu.«
    Ihr Vater konnte sehr lustig sein, meist unabsichtlich. »Das Schlimme an Statistiken ist, dass sie zu fünfzig Prozent von Idioten gemacht werden.« Oder: »Solange du nicht klügerer bist als ich, tust du, was ich dir sage!« Oder: »Geh sofort nach oben und zieh dich unverändert an!« Nicht unverzüglich, unverändert . Ein wahres Wort, wahrer als Aristot bewusst war. Aristot wollte, dass alles blieb, wie es schon immer gewesen war. Unverändert die Familie, unverändert die Gemeinschaft und die Rollen, die jeder spielte, unverändert die Liebe, die man nur in einem Dorf empfinden konnte, in dem sich nichts veränderte. Ein Leben in seliger gemeinschaftlicher Nostalgie. Alles Neue war eine Bedrohung, wie ein Terrorist mit einer Stange Dynamit. Das Neue nahm nur, es brachte keinen Gewinn. Und jedes blöde Arschloch, das glaubte, es müsse sich mit der Welt von heute verheiraten, würde schon noch merken, dass es in der Welt von morgen Witwer war. An die Worte von Aristot Gevaş werdet ihr noch denken!
    Ironisch war nur, dass er, um dem Neuen aus dem Weg zu gehen, das Alte hergegeben – seine Heimat verlassen und sein ganzes Leben geändert hatte. In London, fernab von Krieg und Krankheit, von ethnischen Säuberungen, erdrückender Armut, von all diesen gewalttätigen Veränderern, war es weitaus leichter, die alten Sitten zu bewahren. Das hatte er inzwischen begriffen: Manchmal musste man fast alles ändern, wenn man derselbe bleiben wollte.
    Jetzt saß Azime neben ihrem Vater auf dem Sofa und sah ihm zu, wie er fernsah, wie er gehorsam mitlachte, wenn die Sendung Lachkonserven einspielte, und sein schwerer Kopf auf dem dicken Hals wackelte dazu; wie auf Kommando grölte er zu jeder Albernheit, die das Fernsehen brachte. Je hanebüchener die Gags, desto lauter sein Gelächter, und bald konnte auch Azime sich nicht mehr beherrschen und musste mitlachen; Vater und Tochter fanden alles dermaßen komisch, dass Sabite in der Küche anfing, Topfdeckel aneinanderzuschlagen, protestierende Beckenschläge, die ihnen zu verstehen gaben, dass sie mit ihren Nerven am Ende war. Aber nichts, was Sabite tat, konnte verhindern, dass ihr Mann und ihre Tochter es zum Schreien komisch fanden, dass der bescheuerte Besitzer eines bescheuerten Hotels in einem englischen Seebadeort von seiner Frau im Schrank eines Zimmers entdeckt (und für einen Perversling gehalten) wurde, das ein gewisser junger Herr gemietet hatte, wo doch der Hotelier nur hatte beweisen wollen, dass dieser Herr entgegen den Regeln des Hauses eine Dame aufs Zimmer geschmuggelt hatte – Gäste waren nur erlaubt, wenn für sie extra gezahlt wurde, und das war nicht der Fall. Der Sketch hatte alles, was man für eine komische Szene brauchte: ein Missverständnis, eine peinliche Situation, etwas befreiend Absurdes und einen Ruch von unerlaubtem Geschlechtsverkehr.
    »Ha! ha! ha! ha!«, donnerte Aristot. »Schau dir den Blödmann an! Schau dir das an! Ein totaler Blödmann, der Mann! So ein dummes Arschloch!«
    »Ha! ha! ha!«, lachte auch Azime, als der Vater mit dem Finger auf den Fernsehschirm zeigte, auf ein Geschehen, das Millionen von Meilen vom Leben der Familie Gevaş aus Green Lanes entfernt war.
    Während all dessen rüttelte oben in ihrem Zimmer eine in Tränen aufgelöste Döndü an der Tür, die Zeki von außen abgeschlossen hatte. Alle Kinderzimmer hatten Türen, die man nur von außen abschließen konnte.
    »Ich hasse dieses Leben! Ich hasse dieses Haus!«, brüllte Döndü die teilnahmslosen Wände an. »Ich hasse, hasse, hasse es!« Und sie wünschte sich, dass sie sich in ein Insekt verwandelte, das aus dem Fenster krabbeln und für immer in der Nacht verschwinden könnte.
    Im Zimmer nebenan kümmerte sich Zeki nicht um die Schreie seiner eingesperrten kleinen Schwester, sondern perfektionierte mit Hilfe eines Boxspiels auf seiner Wii-Konsole und eines alten Fernsehers seinen Aufwärtshaken, seinen Roundhouse-Kick, den Jab links und den Cross rechts – pschh! waaah! boooo! wummm!  –, ein Schattenboxer mit Controllern in beiden Fäusten, sprang und duckte sich Zeki in
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