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funny girl

funny girl

Titel: funny girl
Autoren: Anthony McCarten
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ich das? Wirklich? Habe ich das je gesagt?«
    »Nein, aber du denkst es. Du denkst es die ganze Zeit.«
    Worauf Azime mit einem Schulterzucken zurückgab: »Na, wenn’s dich glücklich macht…«
    »Lass gut sein, ja?«
    »Dann ist also alles in Ordnung?«
    »Es ist alles in Ordnung. Ich bin glücklich. Er ist ein guter Ehemann.«
    »Schön. Und fünfzehn Jahre älter.«
    »Hör auf. Sonst sind wir die längste Zeit Freundinnen gewesen. Ich meine das ernst!«
    »Schön. Ich sag doch, es ist schön.«
    »Verdammt noch mal, sag nicht dauernd schön !«, brüllte Banu. »Du treibst mich noch in den Wahnsinn, weißt du das?«
    Azime seufzte: »Machen wir, dass wir hier rauskommen. – Du treibst mich in den Wahnsinn.«
    An der nächsten Abzweigung trennten sie sich; Banu ging nach links, in eine Geschäftsstraße voller Frauen im Hidschab und Männern im weißen Kaftan mit Kappen auf dem Kopf unterwegs zur Moschee in der Wightman Road, in ihrem ganz eigenen Tempo; Azime hingegen wandte sich nach rechts und ging hinter sechs jungen britischen Frauen her, sechs identischen Teenagern, alle mit fast nichts an, unterwegs zum Alkoholrausch in einem der Nachtclubs in der City, zu dessen fernem, noch unhörbarem Puls die auf hohen Absätzen vorwärtsstakenden, kaugummikauenden Mädchen sich schon im Discobeat wiegten. ›Wie anders als diese Mädchen ich bin!‹, dachte Azime, von der Parfümwolke umweht, die die Mädchen hinter sich herzogen. ›Fast schon eine andere Spezies. Schaut mich an, eine zwanzigjährige Jungfrau, unberührt, ungeküsst! Während die da vor mir – klemm ihnen die Eileiter ab, und sie würden immer noch schwanger von Jungs, von denen sie nicht mal den Nachnamen kennen.‹
    Zwölf Minuten später kam Azime zu Hause an, in einer ruhigeren Sackgasse mit der Bahnstrecke am Ende, und sah gerade noch, wie ihr Vater Aristot ihre kleine Schwester Döndü aus dem Wagen der Familie zerrte und vor sich her zur Haustür scheuchte. Dort stand bereits ihr Bruder Zeki, wie ein Gefängniswärter, der einen wieder eingefangenen entflohenen Sträfling in Empfang nimmt, und begrüßte seine kleine Schwester mit einer Extraohrfeige.
    Im Wohnzimmer wollte Azime ihrer Schwester zu Hilfe kommen, doch ihre Mutter Sabite fiel ihr ins Wort. Sie und Döndü könnten unter einer Brücke in Hackney schlafen, sagte sie, wenn sie sich nicht endlich zu benehmen lernten. Sabite hatte hohen Blutdruck, und wenn sie sagte, ihre Familie bringe sie noch um, meinte sie das wörtlich.
    »Was habe ich denn getan?«, fragte Azime entrüstet.
    »Genug!«, keifte Sabite und hielt sich beide Ohren zu, als brüllte jemand anderes und nicht sie selbst. »Sie sind besessen! Aristot! Alle beide! Cinli! Ein Fluch! Ein Fluch, mit dem jemand sie belegt hat. Vielleicht der schmutzige alte Mann, der auf den Stufen vor der Moschee sitzt.«
    Döndü hatte mit ihren acht Jahren soeben ein Verbrechen begangen: Sie hatte mit der Schulklasse eine christliche Kathedrale besucht.
    »Schluss jetzt mit den Flüchen!« Aristot hielt sich nun seinerseits die Ohren zu, und das aus einem besseren Grund als die Frau, mit der er seit fünfundzwanzig Jahren verheiratet war. Dann zog er sich ins Fernsehzimmer zurück und rief ein wenig spöttisch: »Frieden jetzt hier im Haus! Aramî! Ich will das scheiß Fernsehen sehen. Aramî! «
    »Aber wir sind hier in einem christlichen Land«, protestierte Azime, obwohl sie wusste, dass sie mit diesem Einwand in diesem Haus so viel erreichte wie mit einem Schreiben an den Buckingham-Palast. »Und es war ein Schulausflug. Zu einer langweiligen alten Kathedrale.«
    »Es ist kein christliches Land«, stellte Sabite klar.
    »Natürlich ist es das«, widersprach Azime.
    »Ist es nicht!«
    »Was denn dann?«
    »Es ist keins !«
    »Es heißt Church of England. «
    »Hat etwa Jesus Christus die Kirche von England begründet? Nein. Nein, nein, nein. Das war Heinrich der Wievielte. Ein Mann mit – Schlafzimmerkrankheiten !«
    »Ich hasse dieses Haus!«, heulte Döndü.
    »Fünf Tage!« Sabite wies zur Decke, in die Richtung, in der sich das Zimmer der Kleinen befand.
    »Nein!«
    »Dann eben sechs!«
    Mit ihren zwanzig Jahren wohnte Azime noch immer bei ihren Eltern, die zwar aus der Türkei stammten, sich aber für waschechte Briten hielten. Der spärliche Lohn, den Azime für ihre Arbeit im väterlichen Möbelladen erhielt, erlaubte es ihr nicht, auszuziehen und vor der Heirat ein eigenes Leben anzufangen. Außerdem zog man, so eng wie die
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