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funny girl

funny girl

Titel: funny girl
Autoren: Anthony McCarten
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abstoßend hässliche Straßen. Die Häuser dieser Gegend verloren Jahr für Jahr weiter an Wert und dienten jetzt nur noch Einwanderern als notdürftige Unterkunft. Die Arbeitslosigkeit im Viertel lag bei siebzig Prozent, die anderen dreißig Prozent arbeiteten für den Mindestlohn (oder weniger), weshalb die Gegend ziemlich heruntergekommen wirkte. Schwarze Müllsäcke lagen vor den Geschäften, in denen man auf jede der 193   Sprachen des Viertels gefasst sein konnte. Azime und Banu kamen an vertrauten Restaurants vorbei, an Waschsalons, Schnapsläden, Internetcafés, am häufigsten aber sahen sie in den Schaufenstern von Green Lanes das Schild: »Zu vermieten«.
    Als sie an einem Jobcenter vorbeikamen, gestand Azime, dass sie sich auf die Suche nach einem richtigen Job gemacht hatte, einem außerhalb des Familienbetriebs. Sie sei für alles offen, trotzdem sei es unmöglich, eine freie Stelle zu finden. Die Mädchen machten halt an einer Falafelbude. Sie sahen zu, wie die würzigen Bällchen frittiert und dann, zusammen mit Salat, Knoblauchmayonnaise und Chilisoße und jeweils einer Peperonischote, in Fladenbrot gesteckt wurden.
    »Was macht deine Mutter?«, fragte Banu.
    »Total von der Rolle. Wie üblich.«
    »Wie viele Heiratskandidaten hat sie diesmal für dich?«
    »Diese Woche nur drei. Alles Männer so alt wie mein Vater oder noch älter. Die passenden Jungs in meinem Alter hat sie alle durch. Jetzt sucht sie in den Altersheimen.«
    »Aber du hast alle abgelehnt, stimmt’s?«
    »Ich bin zwanzig. Ich lasse mich mit niemandem verheiraten.«
    Banu machte eine beleidigte Miene . »Na danke. Herzlichen Dank.«
    Azime merkte, dass sie ihre Freundin, die schon vor über einem Jahr geheiratet hatte, gekränkt hatte. Sie wollte es wiedergutmachen. »He, warum haben Inder diesen roten Fleck auf der Stirn?«
    »Halt die Klappe!«
    »Weil«, und dabei tippte Azime ihr bei jedem Wort mit dem Zeigefinger auf die Stirn,»DU… NICHT… HIER… HER… GEHÖRST! «
    Banu unterdrückte ein Grinsen.
    Also versuchte Azime es noch einmal: »Ein Mann kommt in ein Wäschegeschäft und will ein durchsichtiges Négligé, Größe vierundvierzig. Der Verkäufer sieht ihn an und fragt: ›Warum zum Teufel wollen Sie denn da durchschauen?‹«
    Banus Mundwinkel zuckten ganz leicht, aber sie spielte weiterhin die Entrüstete. »Wie kannst du an so einem Tag lustig sein?«
    »Man muss lustig sein, um so einen Tag zu überstehen.«
    »Hör auf!«
    »Kann ich nicht.«
    »Natürlich kannst du das.«
    »Ich hab’s versucht. Es geht nicht.«
    »Azi, wir kommen gerade von einer Beerdigung. «
    »Ich weiß, ich weiß.« Azime nickte und schien endlich den Ernst des Augenblicks zu erfassen. Aber dann fragte sie doch:»Wie nennt man einen Schwarzen, der ein Flugzeug steuert?«
    »Hör auf! Hör bloß auf. Ich mein’s ernst.«
    »Ein Schwarzer, der ein Flugzeug steuert. Na los, wie nennt man den?«
    Jetzt zuckte Banu nur noch mit den Schultern. Sie gab auf. Was sollte man mit einem Mädchen wie Azime machen? Sie war unverbesserlich. Nicht zu retten. Hoffnungslos übergeschnappt. »Keine Ahnung. Weiß ich nicht. Sag’s mir – wie nennt man einen Schwarzen, der ein Flugzeug steuert?«
    »Einen Piloten, du rassistische Kuh!«
    Banu schlug die Hand vor den Mund, aber ihr Lachen konnte sie trotzdem nicht verbergen. Dieses verfluchte Lachen, das verräterische Zucken. Sie wünschte sich so sehr, nicht zu lachen, aber sie war einfach nicht stark genug. Und kaum ließ ihr Kichern nach, da fing es von neuem an, als sie den Witz in Gedanken Revue passieren ließ, als die Bilder stärker, lustiger wurden, je mehr sie über diesen Witz nachdachte und ihr klarwurde, wie der Witz sie in die Falle gelockt und ihr gezeigt hatte, dass sie tatsächlich von einer rassistischen Vorstellung ausgegangen war. Sie merkte auch, wie das Lachen ihr Gesicht, ihren Hals von der Starre der Anspannung befreite, all den aufgestauten Druck eines ganzen Ehejahres herauskommen ließ, so dass sie vorübergehend wieder die Banu wurde, die Azime als Dreizehnjährige in der Schule kennengelernt hatte und die genauso frech und respektlos gewesen war wie sie und der womöglich noch öfter Bemerkungen entschlüpften, die sie sich besser verkniffen hätte. Von allen Zwängen befreit, stimmte Banu in Azimes Gelächter ein, bis sie sich schließlich wieder so weit gefasst hatte, dass sie hinzuzufügen konnte: »Jetzt hör endlich auf zu sagen, ich hätte zu früh geheiratet.«
    »Hab
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