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funny girl

funny girl

Titel: funny girl
Autoren: Anthony McCarten
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ein Sonnenschein von Mensch, ganz bestimmt nicht. Auch niemand, der eine Abneigung gegen Oxymora hat. Ehre. Mord. Wirklich? Das gehört ganz oben auf die Liste der großen Oxymora unserer Zeit:
    Jumbo Shrimp.
    (Gelächter.)
    Ganz schön hässlich.
    (Gelächter.)
    Börsenaufsicht.
    (Gelächter.)
    Offenes Geheimnis.
    (Gelächter.)
    Negatives Wachstum.
    (Gelächter.)
    Zugfahrplan.
    (Gelächter.)
    Vereinte Nationen.
    (Gelächter.)
    Ehrenmord. Was für eine Idee!
    Da ich ja wohl nie wieder die Gelegenheit bekomme, vor fünfzehntausend Menschen auf einmal zu sprechen, möchte ich meinen Auftritt heute Abend jemandem widmen – einer alten Schulfreundin von mir, die vor kurzem ums Leben gekommen ist. Ich habe sie nicht so gut gekannt, wie ich gesollt hätte. Sie war ein ruhiges Mädchen. Hat nie viel gesagt. Praktisch niemand wusste, was sie gedacht oder gefühlt oder durchgemacht hat. Soweit ich weiß, hat sie sich das Leben genommen. Warum? Ihre Familie wollte sie zwingen, den Jungen aufzugeben, den sie liebte. Sie haben ihr eingeredet, nur so könne sie ihre Seele und die Familienehre retten. Aber sie wollte nicht leben, wenn sie es nicht so tun konnte, wie sie es verdient hatte, und deshalb sprang sie lieber vom Balkon im achten Stock, um es allen leichter zu machen. Aus. Erledigt.
    (Stille.)
    Tja, die Familie hat sie nicht mit eigenen Händen umgebracht, es war kein Ehrenmord, aber was ist der Unterschied zwischen »Ich bring dich um« und »Schatz, könntest du uns allen einen Gefallen tun?«.
    (Unbehagliches Kichern.)
    Ich will ja jetzt nicht zu düster werden, ich weiß, auf dem Plakat für diese Veranstaltung steht irgendwo »Comedy«, aber diese Freundin von mir hatte einen Namen. Ich möchte, dass ihr fünfzehntausend alle diesen Namen kennt und im Gedächtnis behaltet. Sie hieß Z----- A---. Und die Botschaft, die ich allen anderen Z-----s da draußen schicken möchte, oder überhaupt allen, die in Schwierigkeiten sind, allen, die im Stillen leiden und keine Freunde haben, ist die: »Wenn ihr durch die Hölle geht, bleibt nicht stehen.«
    (Ein guter Teil der Zuhörerschaft erhob sich an dieser Stelle von den Sitzen und applaudierte laut.)
    Bleibt nicht stehen, geht weiter, geht, bis ihr auf der anderen Seite wieder herauskommt. Ihr werdet es schaffen. Also freie Rede… tolle Idee. Ich bin dafür. Wer im Glashaus sitzt… der ist blöd. Und bevor ihr jetzt anfangt, irgendwelche Sachen nach mir zu werfen, möchte ich noch etwas Letztes sagen. Wenn ich euch durch irgendetwas, das ich gesagt habe, vor den Kopf gestoßen oder verletzt habe… – mein echter Name lautet Azime Gevaş. Meine echte Telefonnummer ist 078   855   765 und meine echte E-Mail-Adresse ist [email protected]. Meldet euch mal. Love and Peace.
    Auf dem Weg die Haupttreppe hinunter liefen sie und Deniz Manny Dorfman in die Arme, der langsam die Stufen herauf- und ihnen entgegenkam, rot im Gesicht, in Tweedanzug mit Wollkrawatte. Er wolle ihr sagen, dass sie sensationell gewesen sei, provokant, risikofreudig, »das perfekte Salz in einer ansonsten faden Suppe«. Sie dankte ihm für die Chance, im O2 aufzutreten. Er antwortete, sie solle ihn morgen anrufen. Deniz fiel ihm ins Wort, versicherte, er könne ganz beruhigt sein, er würde sich darum kümmern. Manny nickte zwar, redete aber weiterhin nicht mit ihm, sondern nur mit Azime. Er habe Pläne mit ihr, Vorschläge, wie sie ihr Material besser für einen Massenmarkt aufbereiten könne, für Leute, die eine Predigt nicht zu schätzen wüssten. »Wir besprechen das beim Cocktail.«
    »Molotow?«, fragte Azime.
    Manny gluckste, nickte mit seinem großen Kopf mit der schimmernden Glatze, klopfte Azime auf die Schulter und setzte nach einem »Ruf mich an« keuchend seinen Aufstieg fort.
    »Unbedingt!«, rief ihm Deniz hinterher. »Wir melden uns!«
    Im Foyer, inmitten eines allgemeinen Exodus von Zuschauern, die den Ausgängen zustrebten, warteten ihre Eltern mit Zeki und Döndü auf sie. Das Kopftuch fest um den Kopf geschlungen und mit dem winzigsten Anflug eines Lächelns, blickte Sabite ihrer Tochter in die Augen und hob die Schultern in einer kleinen »hätte wohl auch schlimmer kommen können«-Geste. »Jedenfalls warst du lustiger als dieser merkwürdige Mann in Frauenkleidern.«
    »War sie nicht großartig?«, wollte Deniz von Azimes Eltern wissen.
    Sabites Blick wanderte zu Deniz und dann zurück zu Azime. »Wer ist das?«
    »Deniz. Mein Manager.«
    »Manager?«
    »Ganz genau«,
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