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funny girl

funny girl

Titel: funny girl
Autoren: Anthony McCarten
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dir bloß dabei gedacht? Eine Flasche schmeißen? Glasscherben auf der Autobahn? Hast du eigentlich eine Ahnung, wie gefährlich das ist? Damit hättest du andere Leute verletzen können. Sorry, also eine, die so was macht, die will ich nicht als Freundin haben.«
    Wenn man seine Meinung sagt, steht man in der Regel allein auf weiter Flur. So ist das. Na – Freunde – was tun wir jetzt dagegen? Irgendwelche Vorschläge?
    (Das Publikum war jetzt ganz still. ›Ich langweile sie zu Tode‹, sagte sich Azime. ›Ich sterbe auf der Bühne, vor 15   000 Menschen.‹ Doch jetzt konnte sie nicht mehr zurück, deshalb zitierte sie aus ›Couchgarnituren‹, etwas, was sie vor Urzeiten auf dem Computer ihres Vaters getippt hatte und das nicht einmal richtig witzig war. Aber, was soll’s? Man stirbt nur einmal.)
    »Alles, was notwendig ist, damit das Böse triumphiert, ist, dass die Guten untätig bleiben.« Edmund Burke hat das gesagt. Und zum Thema Redefreiheit sage ich nur: »Sagt, was ihr auf der Seele habt, und sagt es mit eurer eigenen Stimme… aber bevor ihr jemanden kritisiert oder verantwortlich macht oder verurteilt, schlüpft mal eine Weile in seine Haut. Schlüpft mal eine Weile in seine Haut.« Hey – was ist das Schlimmste, was dabei passieren kann? Sie sitzt zu eng oder schlägt Falten, mehr nicht.
    Mit diesen Worten begann Azime sich auszuziehen, legte auf der Bühne ihre Burka ab. Das Publikum merkte sofort, dass das spontan war. Es war mäuschenstill, während sich Azime nun in Jeans, Turnschuhen und einer dezenten, langärmeligen Bluse mit Blumenmuster präsentierte.
    AZIME : Findet ihr nicht auch, es ist heiß hier drin? So ist’s besser…
    (Nun endlich brach in der Arena stürmischer Beifall los, anerkennende Pfiffe von den hinteren Rängen. Als der Applaus nachließ, kam eine einzelne Frauenstimme aus dem Saal, ein begeisterter Beifallsjuchzer. Das fanden die Leute wiederum lustig und lachten noch einmal.)
    Gut zu sehen, dass ich nicht die Einzige war, der’s zu heiß wurde.
    (Ein Zwischenrufer, eine weitere einzelne Stimme: »Du siehst klasse aus.« Azime lächelte und verneigte sich sogar leicht.)
    Jemand hier, der heiraten will?
    (Applaus.)
    Ladys und Gentlemen… ich habe das Recht zu schweigen… nur nicht den Willen oder das Talent dazu.
    (Daraufhin lang anhaltender Applaus. Er begann in den hinteren Reihen und schwappte wie in Wellen nach vorn. Azime strahlte, überrascht von diesem Maß an Beifall, und verneigte sich tief.)
    Jetzt ist es zu spät. Ich hab’s getan. Erschießt mich. Moment, ich formuliere das noch um – Peng!
    (Zum Klang eines Pistolenschusses, den sie überzeugend am Mikrofon nachahmte, krümmte und wand sie sich und ging dann zu Boden, mit den Füßen Richtung Publikum. Reglos auf der Seite liegend, blieb sie einen Moment lang still, dann sagte sie mit leiser, gedämpfter Stimme:)
    Gestern Abend wurde die vielversprechende Nachwuchskomikerin Azime Gevaş tragisch und für alle Zeiten zum Schweigen gebracht, niedergestreckt durch die Kugel eines Attentäters vor den Augen der gesamten Zuhörerschaft in der O2-Arena, die zudem nun sah, dass sie unter ihrer körperbedeckenden Burka recht unattraktive flache Schuhe trug, die sie erst vor kurzem im Ausverkauf bei New Look für £ 5.99 erworben hatte. Ein klarer Beweis dafür, dass auch Märtyrer Schnäppchen lieben. Wie alle anderen auch.
    (Verhaltenes Gelächter.)
    Was können wir von Märtyrern lernen? Tja, ich würde sagen – wenigstens leben sie jeden Tag, als wäre es ihr letzter.
    (Großes Gelächter. Azime stand wieder auf. Alle hörten ihr jetzt wirklich aufmerksam und gespannt zu. Azime konnte diese Aufmerksamkeit richtig spüren. Mit entsprechendem Selbstvertrauen und in bester Stimmung fuhr sie fort:)
    Wir sind alle gleich, außer ihr da drüben. Wir alle sind zur freien Rede verpflichtet.Deshalb hier zum Schluss noch ein bisschen freie Rede: Islamische Frauen verdienen, dass sie anständiger behandelt werden. So, jetzt ist es draußen. Anständiger von der hiesigen weißen Bevölkerung, die davon ausgeht, dass jede Frau mit Burka ein Opfer ist und außerdem einen Pilotenschein hat.
    (Gelächter.)
    Und auch anständiger von bestimmten Minderheiten in unserer eigenen Gemeinschaft. Zum Beispiel hätten Muslimfrauen überhaupt nichts dagegen, wenn sie nicht von ihren eigenenFamilien umgebracht würden. Nur so eine Idee. Ehrenmorde? – Hey, wer ist überhaupt auf so was unfassbar Bescheuertes gekommen? Nicht gerade
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