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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia
Autoren: Rekkless
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einfach zu
vergessen. Oder ihn in die Truhe in Chanutes Gasthaus zu legen.
    Was ist los mit dir, Jacob? Wirkt das Lerchenwasser immer noch? Oder hast
du Angst, dass dein Bruder, selbst wenn die Fee ihr Versprechen hält, für
immer der Fremde bleiben wird, dem der Hass auf dich das Gesicht entstellt?
    Die Fee
erschien so unvermittelt in der Tür, als hätte er sie mit seinen Gedanken
herbeigerufen.
    »Sieh an«,
sagte sie und musterte den Goldenen Ball in Jacobs Händen. »Ich habe das
Mädchen gekannt, das mit diesem Ball gespielt hat, lange bevor du oder dein
Bruder geboren wart. Sie hat nicht nur einen Bräutigam damit gefangen, sondern
auch ihre ältere Schwester und sie zehn Jahre nicht wieder hinausgelassen.«
    Ihr Kleid
wischte über den staubigen Boden, als sie auf Jacob zutrat.
    Er
zögerte, doch schließlich legte er ihr den Ball in die Hand. »Zu schade«, sagte
sie, während sie ihn an die Lippen hob.
    »Dein
Bruder ist so viel schöner mit einer Haut aus Jade.« Dann hauchte sie auf die
schimmernde Oberfläche, bis das Gold beschlug, und gab Jacob den Ball zurück.
    »Was?«,
fragte sie, als er sie zweifelnd ansah. »Du traust der falschen Fee.«
    Sie trat
so nah an ihn heran, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spürte.
    »Hat meine
Schwester dir gesagt, dass jeder Mensch, der meinen Namen ausspricht, des
Todes ist? Er wird langsam kommen, wie es zur Rache einer Unsterblichen passt.
Vielleicht bleibt dir noch ein Jahr, aber du wirst ihn schon bald spüren. Ich
zeig ihn dir.«
    Sie legte
ihm die Hand auf die Brust und Jacob spürte einen stechenden Schmerz über dem
Herzen. Blut sickerte ihm durchs Hemd, und als er es aufriss, sah er, dass die
Motte auf seiner Haut zum Leben erwacht war. Jacob packte ihren angeschwollenen
Leib, aber sie hatte die Krallen so tief in sein Fleisch geschlagen, dass es
sich anfühlte, als risse er sich das eigene Herz aus der Brust.
    »Man sagt,
für Menschen fühlt die Liebe sich an wie der Tod«, sagte die Fee. »Ist das
wahr?«
    Sie
zerdrückte die Motte auf Jacobs Brust und es blieb erneut nichts als ein
Abdruck auf seiner Haut.
    »Lass
deinen Bruder heraus, sobald das Gold nicht mehr beschlagen ist«, sagte sie.
»Es wartet eine Kutsche am Tor für dich und die, die mit dir gekommen sind.
Aber vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Bring ihn so weit fort von mir,
wie du kannst.«
     
    52
     
    UND WENN SIE NICHT GESTORBEN SIND
     
    D er Turm und die verbrannten Mauern. Die frischen Spuren
der Wölfe. Es schien, als wären sie eben erst aufgebrochen. Aber die Räder der
Kutsche versanken in frisch gefallenem Schnee, als Jacob die Pferde zwischen
den Bäumen anhielt.
    Fuchs
sprang aus der Kutsche und leckte sich das kalte Weiß von den Pfoten, während
Jacob vom Kutschbock stieg und den Goldenen Ball aus der Tasche zog. Die
Oberfläche war kaum noch beschlagen und der bewölkte Morgenhimmel spiegelte
sich darin. Jacob hatte den Ball unterwegs so oft angesehen, dass Fuchs
vermutlich längst erriet, was sich darin verbarg. Doch Clara hatte er noch nichts
gesagt.
    Sie hatten
zwei Tage zurück zu der Ruine gebraucht, und an der letzten Kutschstation
hatten die Pferdeknechte ihnen erzählt, dass die Goyl die Hochzeit ihres Königs
in ein Massaker verwandelt und die Kaiserin verschleppt hatten. Mehr wusste
niemand.
    Fuchs
wälzte sich im Schnee, als wollte sie sich die letzten Wochen vom Fell
waschen, und Clara stand da und blickte hinauf zu dem Turm. Der Atem hing ihr
weiß vorm Mund, und sie schauderte in dem Kleid, das Valiant ihr für die
Hochzeit gekauft hatte. Die blassblaue Seide war zerrissen und schmutzig, aber
ihr Gesicht erinnerte Jacob immer noch an feuchte Federn, auch wenn darauf nur
die Sehnsucht nach seinem Bruder zu finden war.
    »Eine
Ruine?« Valiant kletterte aus der Kutsche und blickte sich entgeistert um. »Was
soll das?«, fuhr er Jacob an. »Wo ist mein Baum?«
    Ein
Heinzel löste sich aus den Schatten und sammelte hastig ein paar Eicheln aus
dem Schnee. »Fuchs, zeig ihm den Baum.«
    Valiant
stiefelte der Füchsin so eilig hinterher, dass er fast über die eigenen Beine
stolperte. Clara sah ihnen nicht nach.
    Es schien
so lange her, dass Jacob sie zum ersten Mal zwischen den Säulen hatte stehen
sehen.
    »Du
willst, dass ich zurückgehe, oder?« Sie blickte ihn an, wie nur sie es tat.
»Sag es ruhig. Ich werde Will nicht wiedersehen. Du kannst es nicht ändern. Ich
weiß, du hast alles versucht.«
    Jacob
griff nach ihrer Hand und legte den Ball hinein.
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