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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia
Autoren: Rekkless
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stieß
ihn über den Hof, vorbei an dem König, der mit Will neben den Kutschen stand
und sich mit den zwei Offizieren besprach, die das Massaker überlebt hatten.
Den Goyl blieb nicht viel Zeit. Bestimmt waren die Toten in der Kathedrale
inzwischen entdeckt worden.
    Die Dunkle
Fee stand am Fuß der Treppe, die zum Fluss hinunterfuhrte. Der steinerne Arm
eines Anlegers ragte ins Wasser, auf dem der Abfall der Stadt wie eine
schmutzige Haut trieb. Aber die Fee blickte hinein, als sähe sie die Lilien,
zwischen denen sie geboren worden war. Sie wird dich
töten, Jacob.
    »Lass mich
mit ihm allein, Nesser«, sagte sie.
    Die Goyl
zögerte, aber schließlich warf sie Jacob einen hasserfüllten Blick zu und
stieg die Treppe wieder hinauf.
    Die Fee
strich sich über den weißen Arm. Jacob sah Spuren von Baumrinde daran. »Du hast
hoch gespielt und verloren.«
    »Mein
Bruder hat verloren«, gab Jacob zurück.
    Er war so
müde. Wie würde sie ihn töten? Mit ihren Motten? Durch irgendeinen Fluch?
    Die Dunkle
Fee blickte hinauf zu Will. Er stand immer noch neben Kami'en. Sie schienen
mehr denn je zusammenzugehören.
    »Er war
alles, was ich erhofft habe«, sagte sie. »Sieh ihn an. All das Steinerne
Fleisch. Nur für ihn gesät.« Sie strich über die Rinde an ihrem Arm.
    »Ich werde
ihn dir zurückgeben«, sagte sie. »Unter einer Bedingung. Bring ihn weit, weit
fort, so weit, dass ich ihn nicht finden kann. Denn sonst werde ich ihn töten.«
    Jacob
konnte nicht glauben, was er hörte. Er träumte. Das war es. Irgendein
Fiebertraum. Wahrscheinlich lag er immer noch in der Kathedrale und ihre Motten
stießen ihm Gift unter die Haut.
    »Warum?«
Selbst das eine Wort brachte er kaum über die Zunge.
    Warum fragst du, Jacob? Warum willst du wissen, ob es ein Traum ist? Wenn
ja, dann ist es ein guter. Sie gibt dir deinen Bruder zurück.
    Die Fee
antwortete ihm ohnehin nicht.
    »Bring ihn
in das Gebäude neben dem Tor«, sagte sie und wandte sich wieder dem Wasser zu.
»Aber beeil dich. Und nimm dich vor Kami'en in Acht. Er wird seinen Schatten
nicht gern verlieren.«
     
    Jaspis,
Onyx, Mondstein. Jacob verfluchte seine Menschenhaut, während er mit gesenktem
Kopf den Hof überquerte. Von den überlebenden Goyl wusste bestimmt kaum einer,
dass sie ihm ihr Entkommen verdankten. Zum Glück bewachten die meisten die
Geiseln oder kümmerten sich um die Verwundeten, und Jacob erreichte die
Kutschen, ohne dass man ihn anhielt.
    Kami'en
stand immer noch mit seinen Offizieren zusammen, doch der Alabastergoyl war
noch nicht zurück. Die Prinzessin trat auf ihren Ehemann zu und redete auf ihn
ein, bis er sie ungeduldig mit sich zog. Will folgte dem König mit den Augen,
aber er ging ihm nicht nach.
    Jetzt, Jacob.
    Wills Hand
führ an den Säbel, sobald er zwischen den Kutschen hervortrat.
    Wollen wir Fangen spielen, Will?
    Sein
Bruder stieß zwei Goyl aus dem Weg und begann zu rennen. Seine Wunden schienen
ihn kaum zu behindern. Nicht zu
schnell, Jacob. Lass ihn näher kommen, so, wie du es getan hast, als ihr noch
Kinder wart. Zurück zwischen die Kutschen. An der Baracke vorbei, in
die sie die Geiseln gesperrt hatten. Das nächste Gebäude war das neben dem Tor.
Jacob stieß die Tür auf. Ein dunkler Flur mit vernagelten Fenstern. Die
Lichtflecken auf dem schmutzigen Fußboden sahen aus wie verschüttete Milch. Im
nächsten Raum standen noch die Betten für die Choleraopfer. Jacob versteckte
sich hinter der offenen Tür. Wie damals.
    Will führ
herum, als er die Tür hinter ihm zuschlug, und für einen Atemzug zeigte sein
Gesicht dieselbe Überraschung wie früher, wenn Jacob sich im Park hinter einem
Baum versteckt hatte. Aber nichts in seinem Blick deutete darauf hin, dass er
ihn erkannte. Der Fremde mit dem Gesicht seines Bruders. Den Goldenen Ball fing
Will trotzdem. Die Hände hatten ihr eigenes Gedächtnis. Fang schon, Will! Der Ball verschluckte ihn wie der
Frosch die Fliege und auf dem Hof blickte der steinerne König sich vergebens
nach seinem Schatten um.
    Jacob hob
den Ball auf und setzte sich auf eines der Betten. Sein eigenes Gesicht blickte
ihm aus dem Gold entgegen, verzerrt wie im Spiegel seines Vaters. Er konnte
nicht sagen, was ihn an Clara denken ließ - vielleicht war es der Krankenhausgeruch,
der immer noch zwischen den Mauern hing, so anders und doch derselbe wie in der
anderen Welt -, aber für einen Moment, nur einen kurzen Moment, ertappte er
sich dabei, dass er sich ausmalte, wie es wäre, den Goldenen Ball
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