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Für immer untot

Für immer untot

Titel: Für immer untot
Autoren: Karen Chance
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Rest des Körpers fehlte. Das Ding hockte auf einem Stapel, der offenbar aus Oberschenkelknochen bestand. Auch der Unterkiefer war dem Kopf abhanden gekommen, aber er schien trotzdem zu grinsen. »Für mich sehen sie ziemlich echt aus.«
    Etwas Goldenes glitzerte im Schein der Taschenlampe, halb im Mörtel, der die Knochenreihen zusammenhielt. Mit dem Finger kratzte ich daran – der Mörtel war so alt, dass er einfach zerbröckelte. Zum Vorschein kam ein goldener Ring, der sich nicht aus der Wand ziehen ließ. Ich betrachtete ihn aus der Nähe.
    Offenbar bestand er aus einer Schlange, die ihren eigenen Schwanz fraß. »Der Ouroboros«, sagte Pritkin und näherte sich mir.
    »Der was?«
    »Ein uraltes Symbol für Regeneration und Ewigkeit.«
    »Wie ein Kreuz?«
    »Älter.« Pritkin schickte den Lichtstrahl der Taschenlampe erneut auf die Reise.
    »Der Hexenzirkel von Paris muss seine eigenen Katakomben geschaffen haben, vermutlich während der Inquisition. Hexen und Zauberer wurden manchmal exhumiert, ihre Leichen verstümmelt oder verbrannt. Hiermit sollte das verhindert werden.«
    »Soll das heißen, dies ist ein Friedhof für Magier?«
    »Wahrscheinlich. Die Kalksteinbrüche gehen auf die Römer zurück. Sie waren jahrhundertealt, als die Behörden von Paris beschlossen, Gebrauch von ihnen zu machen. Vielleicht kam die magische Welt zuerst auf diese Idee.« Ein plötzlicher Regen aus Steinen und Schutt ging bei der Leiter nieder. Offenbar dachten unsere Verfolger nicht daran, aufzugeben. »Können Sie uns mit einem Sprung dorthin bringen?«, fragte Pritkin und zeigte mir einen vagen Schnörkel auf der Karte.
    Mein neuer Job hatte mehr Schattenseiten, als ich zählen konnte, aber es gab auch den einen oder anderen Lichtblick. Nun, zumindest einen. Die mit dem Amt der Pythia einhergehende Macht erlaubte mir, in Begleitung von ein oder zwei Personen durch Raum und Zeit zu springen. Das war eine sehr nützliche Waffe, und bisher meine einzige. Aber sie hatte auch ihre Grenzen. »Ich kann nur dann springen, wenn ich eine klare Vorstellung vom Ziel habe.«
    »Sie sind durch die Zeit zu Orten gesprungen, wo Sie zuvor noch nie waren!«
    »Das ist etwas anderes.«
    Es kam zu einer plötzlichen Lawine, und hinter uns schlug ein Zauber in den Boden und verursachte einen Sturm aus wildem violettem Licht. Er traf die Totenköpfe, ließ sie knistern und krachen, prallte dann von der gegenüberliegenden Wand ab und schickte Steinsplitter wie kleine Dolche in alle Richtungen. Pritkin schützte mich vor dem Schlimmsten, ergriff dann meine Hand und zog mich durch den Tunnel.
    Ich stieß nicht gegen irgendwelche Wände und vermutete, dass er noch immer sehen konnte, doch für mich war’s eine Reise durch schwarzes Nichts. Er hatte die Taschenlampe ausgeschaltet, wahrscheinlich deswegen, damit es den Verfolgern schwerer fiel, auf unserer Fährte zu bleiben, aber ohne ihr Licht war es in den Tunneln so finster, dass es für mich keinen Unterschied machte, ob meine Augen offen oder geschlossen waren.
    »Warum ist es etwas anderes?«, fragte Pritkin.
    »Die Macht lässt mich andere Zeiten und Orte sehen, nicht die Gegenwart«, erklärte ich und zuckte mehrmals zusammen. Nachbilder der Explosion erschufen rötliche Dinge, die mir entgegensprangen, und ich hatte immer wieder das Gefühl, jeden Moment gegen etwas zu stoßen. »Wenn ich im Hier und Heute springen soll, muss ich mir das Ziel vorstellen können.« Und eine Schlangenlinie auf einer schlechten Karte war bei Weitem nicht genug.
    Der Tunnel wurde plötzlich so schmal, dass wir nicht mehr nebeneinander gehen konnten. Pritkin übernahm die Führung, zog mich mit und ging so schnell, dass er fast lief. Es war warm und stickig und der Boden unter unseren Füßen alles andere als eben. Mir wurde schnell klar, warum jemand ausgerechnet diesen Ort wählen sollte, um einen Schatz zu verstecken: Ohne klare Richtungshinweise konnte man hier monatelang umherirren, ohne irgendetwas zu finden.
    Pritkin blieb so plötzlich stehen, dass ich gegen ihn stieß. Er breitete die Karte an der Wand aus und gab mir die Taschenlampe. Ich schaltete sie ein und sah eine weitaus weniger organisierte Szene als zuvor. Knochen hatten sich aus den Wänden gelöst und lagen auf dem Boden; an manchen Stellen bildeten sie unsortierte Haufen. Im Gegensatz zu denen im Haupttunnel erweckten sie den Eindruck, einfach so hingeworfen zu sein. Normalerweise war ich in Hinsicht auf Tote nicht besonders sentimental –
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