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Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall

Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall

Titel: Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
Autoren: Joe Schlosser
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wollte ein bisschen mitgemischt haben, aber niemand würde heute so weit gehen und eingestehen, dass er Steine auf Polizisten geworfen oder Schaufenster demoliert und Auslagen geplündert hatte.
    Diese Quartiersromantik hat in den zurückliegenden Jahren nicht nur mittlerweile finanzstark gewordene Vertreter der ehemaligen Studentenschaft im Viertel belassen, sondern auch viele Pseudo-Linke und angeblich Progressive angelockt, die ein bisschen vom Flair der vergangenen Zeiten an ihre Brust heften und sich mit der Aura des Revolutionären umgeben wollten. In vielen Fällen waren sie spießiger als die eingesessenen Bürgerlichen. Heute gilt es in manchen Kreisen eben als schick, in diesem lebhaften Viertel zu wohnen. Die Preise sind mit die höchsten in der Stadt. Die Nachfrage nach Häusern und Mietwohnungen ist ungebrochen hoch. Die zugezogene Schickeria hat gleich ihre teuren Boutiquen und nobel eingerichteten Bistros mitgebracht. Preiswerte Wohnungen sind so gut wie verschwunden, und ein Investment in Immobilien lohnt sich hier immer noch. Manch einer der klugen Revoluzzer hat rechtzeitig investiert, und Spekulationen dieser Art sind alle aufgegangen. In enger Zusammenarbeit zwischen Stadtteilpolitik und Bevölkerung ist es gelungen, die heruntergekommenen, dunklen Ecken aufzuhellen, Bars, Bordelle und illegales Glücksspiel in Hinterzimmern verrauchter Ganovenkneipen zu verdrängen und die Zahl der Spielhallen und gastronomischen Betriebe zu beschränken.
    Mechthild Kayser ließ sich am Blumenstand gerade einen bunten Strauß mit gefüllten Rosen, ihren Lieblingsblumen, binden, als sie von der Seite angesprochen wurde. „Haste mal nen Euro für’n armen Säufer?“
    Leicht erschrocken über die unerwartete Ansprache, drehte sie sich um und trat dabei einen halben Schritt zur Seite. Mit freundlich lächelndem Gesicht und die geäußerte Bitte mit geöffneten Händen unterstreichend, stand vor ihr ein viertelbekannter Penner, den alle nur den Ein-Euro-Mann nannten. Man sah ihm an, dass er ein weicher Mensch war. Er muss einmal ein wirklich gutaussehender Mann gewesen sein, dachte Mechthild Kayser beim Betrachten seiner Gesichtszüge und kramte in ihrem Portemonnaie nach der erbetenen Münze. Der Ein-Euro-Mann wohnte in einem Verschlag in einer billigen Absteige, in der hauptsächlich Drogenabhängige residierten. Niemand wusste, was ihn einst aus der Bahn geworfen und in den Alkoholismus getrieben hatte. Aber alle wussten, dass er gutmütig und zurückhaltend war. Trotz seines heruntergekommenen Aussehens schien er darauf zu achten, eine bestimmte Stufe des sozialen Abstiegs nicht zu unterschreiten. Nie sah man ihn völlig betrunken und besudelt irgendwo herumliegen. Nie fiel er durch Aggressivität auf. Der Ein-Euro-Mann bedankte sich höflich und schlenderte mit seinem Spruch auf den Lippen zum nächsten Passanten.
    Mechthild Kayser bezahlte und verstaute ihre Rosen in ihrer Umhängetasche. Wohlwissend, dass sie damit die Lebenszeit ihrer Blumen erheblich verkürzen würde, ließ sie die Blüten vorne aus der Tasche in die Welt des Viertels blicken und wünschte, dass sich auch andere an ihrer Farbenpracht erfreuen würden. Das wohlige Gefühl und die fröhlichen Menschen um sie herum ließ in ihr den Wunsch wachsen, sich ebenfalls auf einer der Kneipenterrassen niederzulassen und einen leckeren Cappuccino zu schlürfen. Sie schlenderte weiter die Steintorstraße entlang, kam an einem Café vorbei, das zwar noch Plätze frei hatte, aber für sie nicht in Betracht kam. Es gehörte einer ehemaligen Bremer Unterweltgröße. Als diese Anfang der achtziger Jahre das Haus erwarb, kursierten in der Polizei die verrücktesten Annahmen, was hinter diesem Kauf wohl stecken könnte. Einige gingen sogar davon aus, dass von diesem Haus aus ein unterirdischer Tunnel bis zur nahegelegenen Sparkasse gegraben werden könnte, um sie auszurauben. In Wirklichkeit ging es dem älter werdenden Gauner aber nur darum, Investments zur Sicherung eines ruhigen Lebensabends zu tätigen.
    Mechthild Kayser entschied sich für einen sonnigen Platz vor dem Piano, neben dem Litfass einer der ältesten Szenekneipen des Viertels. Die freundliche Bedienung brachte ihr den Cappuccino, und nun sah sie zwischen kleinen Schlucken auf das gegenüberliegende Italo-Eiscafé, an dessen Fenster für den Außerhausverkauf sich schon eine kleine Schlange gebildet hatte. Sie streckte ihre Arme nach oben und reckte sich. Als sie sich wieder nach vorne beugte,
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