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Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall

Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall

Titel: Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
Autoren: Joe Schlosser
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musste sie sich eingestehen, dass der Winter ihr ein paar Pfunde zuviel am Bauch beschert hatte. Obwohl ihr ein über die Terrasse schweifender Blick verriet, dass es anderen nicht besser ergangen war, beschloss sie dennoch, wieder häufiger für Bewegung zu sorgen und ihre Figur wieder auf Vorderfrau zu bringen.
    Ein wenig hatte sie ein schlechtes Gewissen, dass sie ihr Mobiltelephon zu Hause gelassen hatte, denn als Leiterin der Bremer Mordkommission sollte sie eigentlich immer erreichbar sein. Sie dachte an ihre Kollegen des Kriminaldauerdienstes, die bei diesem Wetter in ihrer stickigen Einsatzzentrale hockten und nach Mitteln und Wegen suchten, wegen irgendeines Falles das Büro verlassen zu können. Aber dieser Gedanke verflog schnell wieder. Sie hatte dieses Wochenende frei und wollte es genießen. Bloß nicht an den Job denken. Sie wollte ein paar Pläne schmieden und sich überlegen, was sie unternehmen könnte. Ein Kinobesuch schien eine gute Möglichkeit zu sein, einem langweiligen Fernsehabend zu entkommen. Cinema und Schauburg lagen beide im Viertel und hatten als alternative Kinostätten immer etwas Interessantes zu bieten. Und bis zum Abend könnte sie ihre Balkonterrasse aufräumen und für den bevorstehenden Sommer herrichten. Das waren gute Ideen. Sie legte Geld auf den Tisch und machte sich auf den Weg nach Hause.
    „Guten Morgen, mein Geburtstagskind!“
    Eine gekünstelt erhobene Stimme drang in den Raum. Er war zwar schon einige Zeit wach, erwartete aber heute an seinem Geburtstag eine besonders hingebungsvolle Weise des Aufweckens. Doch sie blieb aus. Mit einem „Beeil dich!“ war seine Mutter schon wieder aus seinem Zimmer verschwunden. Sie war immer so hektisch, immer in Eile und hatte immer etwas vor. Allerdings nie mit ihm, ihrem Sohn. Er wusste schon, was ihn erwartete, wenn er von der Galerie im ersten Stock der Villa die breite Treppe in die Halle hinunterstieg und dann ins Esszimmer kam.
    An einem Ende des massiven Esstisches für zwölf Personen stand sein Frühstücksgedeck. Wie immer der blaue Becher mit Kakao und eine Brötchenhälfte mit bitterer Orangenmarmelade, eine andere mit einer großen Scheibe Mettwurst. Oder genauer gesagt mit „Salami“, wie seine Mutter ihn bei jeder Gelegenheit verbesserte. Auf der anderen ihm abgewandten Seite des Tisches stapelten sich Geschenke.
    Er fragte sich, warum die Geschenke nicht auf der vorderen, zuerst sichtbaren Seite des Tisches präsentiert wurden. Das ist doch an einem Geburtstag das Wichtigste − und nicht das Frühstück. Aber er erwartete sowieso keine Überraschungen. Seine Mutter vertrat die Ansicht, dass zum Geburtstag Wünsche genau erfüllt werden sollten, und Überraschungen, die am Ende nicht gewollt waren, nur unnütze Geldausgaben seien. So war sie mit ihm vor einer Woche in die Innenstadt von Essen gefahren und hatte alles gekauft,   was er sich wünschte und von dem sie meinte, dass es an der Zeit sei, dass er es sich wünschte.
    Langsam und freudige Erwartung vortäuschend, ging er ans andere Ende des Tisches. Seine Mutter stand etwas abseits des Geschehens und lächelte ihm ermunternd zu. Sie war schon jetzt zufrieden mit ihren Geschenken, die sie ausgesucht hatte. Jedem konnte sie bei nächster Gelegenheit voller Stolz aufzählen, was er dieses Jahr alles Wichtiges erhalten hatte.
    Vor seinem Stapel Geschenke brannten auf einem hölzernen Ring zwölf Kerzen, die jeweils eines seiner erreichten Lebensjahre darstellen sollten. Am   Rand des Ringes stand in Hellblau „Alles Gute zum Geburtstag“ geschrieben. Wahrscheinlich damit seine Mutter es nicht selber sagen musste. In der Mitte des Kerzenkreises stand eine dickere Kerze, das sogenannte Lebenslicht, wie seine Mutter ihm erklärt hatte. Und wie immer musste er, bevor er seine Geschenke in Augenschein nahm, alle Kerzen ausblasen und sich im Geheimen etwas wünschen. Ihm fiel nichts ein, aber er blies trotzdem. Die Erfahrungen mit den letzten Geburtstagen hatten ihm das Vertrauen in dieses Ritual genommen. Warum er beim Ausblasen auch immer sein Lebenslicht mit auslöschen musste, leuchtete ihm nicht ein. Aber er fragte nicht noch einmal. Im vergangenen Jahr hatte er auch keine Antwort erhalten und musste sich stattdessen von seiner Mutter als dummen Jungen bezeichnen lassen.
    Als der wächserne Duft der erloschenen Kerzen verflogen war, wandte er sich seinen Präsenten zu. Eine Carrera Autorennbahn: die hatte er sich ausgesucht und galt unter seinen
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