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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Autoren: Helen Bryan
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Krieg gemacht haben, weiß ich nicht genau.«
    »Oh? Wie kommt’s?«
    »Eigentlich weiß ich sowieso nicht viel über die Angehörigen meiner Mutter. Meine Oma ist tot, also kann ich sie nicht mehr fragen, ich weiß nur, dass sie und ihre Zwillingsschwester in einer Pflegefamilie in Manchester aufgewachsen sind. Wir haben nie herausfinden können, woher sie kamen oder wer ihre Familie war, das war alles sehr geheimnisvoll. Sie sprachen beide Deutsch und Französisch, sogar die Zwillingsschwester meiner Oma. Sie war hirngeschädigt oder so. Meine Mutter hat mir erzählt, dass ihre Mutter sich an ein großes Haus erinnerte, wo ein Mädchen ihnen Geschichten vorgelesen hat. Es könnte ihre Schwester gewesen sein oder ihr Kindermädchen. Sie erinnerte sich daran, wie sie in einem Zug mit anderen Kindern saß und an einen Bauernhof und ein paar alte Leute und an Männer, die sich im Dunkeln unterhalten haben. Sie wusste noch, dass sie schreckliche Angst hatte, die
bösen Männer
würden sie und ihre Schwester umbringen.
    Viele Jahre nach Kriegsende hat ihre Pflegemutter ihr dann erzählt, dass eines Nachts ein Soldat an ihre Tür klopfte. Er hatte einen großen Seesack dabei und fragte, ob dies ein jüdisches Viertel sei, er meinte, es müsse ein jüdisches Viertel sein, weil er vor dem Krieg in Manchester gelebt hatte. Sie dachten, er sei auf der Suche nach einer Unterkunft, und weil sie ein Zimmer frei hatten, haben sie ihn reingelassen. Aber dann er erzählte ihnen eine unglaubliche Geschichte: Er sei über Frankreich abgeschossen und gerettet worden und dann hat man ihn nach England zurückgebracht. Dann hat er den Seesack aufgemacht und drinnen lagen zwei schlafende kleine Mädchen.
Jüdische Kinder
, sagte er und verschwand, bevor sie ihm weitere Fragen stellen konnten. Seltsam, nicht wahr?
    Die Mädchen kannten nur ihren Namen. Meine Großmutter hat mir erzählt, dass sie sich daran erinnert, wie das Ehepaar sich auf Englisch gestritten hat, aber sie hat nicht verstanden, was sie gesagt haben. Die Frau hat ihnen schwarze Kleider und dicke Strümpfe angezogen und ihnen dann eingeschärft, dass sie auf der Straße kein Wort reden dürften. Sie waren es gewohnt, still zu sein, und deshalb kam es ihnen nicht komisch vor. Es hat sie auch nicht gewundert, dass es offenbar eines dieser Viertel war, in dem dieLeute richtig religiös sind, mit koscheren Metzgern und Männern in Gehröcken und mit diesen Haarlocken. Ich glaube, sie hatten so viel erlebt, dass sie das alles einfach akzeptiert haben. Aber wie meine Mum sagt: Wer weiß?«
    »Was für eine merkwürdige Geschichte!«
    »Ja, ich weiß. Als meine Großmutter geheiratet hat, hat meine Großtante bei ihr gelebt, aber sie ist jung gestorben, als Mum ungefähr neun war. Meine Mum sagt, sie sah genauso aus wie meine Großmutter. Sie waren beide sehr hübsch, aber im Gegensatz zu ihrer Schwester war meine Großmutter richtig schlau und hat einen Abschluss an der Uni gemacht hat, als sie schon verheiratet war. Sie ist dann Lehrerin geworden, so wie ihr Mann. Meine Mutter erinnert sich, dass ihre Tante eine ganz liebe und sanfte Frau war. Sie hat auf sie aufgepasst, wenn meine Großmutter an der Uni war. Sie sagt, meine Großmutter ist nie über den Tod ihrer Schwester hinweggekommen. Sie haben mich Lily genannt, nach ihr.«
    »Wirklich toll! Wahrscheinlich gibt es viele Geschichten über den Krieg, die man nie zu hören bekommt. Jemand sollte sie aufschreiben. Tschuldigung, Lily, da klingelt das Telefon schon wieder. Nein, du hast jetzt Teepause, ich gehe ran. Ich hoffe, dein verschwundener alter Mann taucht gesund und munter wieder auf.«
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