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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht
Autoren: Jennifer Estep
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umdrehten, um mich böse anzustarren, stieg ich die Stufen hinauf, ging nach vorne an den Bühnenrand und setzte mich, sodass meine Beine nach unten baumelten. Dann seufzte ich tief.
    Allein – ich war endlich allein.
    Ich schloss die Augen und atmete einfach nur – ein und aus, ein und aus –, um diesen Moment von Frieden, Ruhe und Einsamkeit zu genießen …
    Links von mir hörte ich eine leise Bewegung.
    Ich riss die Augen auf, und meine Hand schoss zum Gürtel, um dort nur leere Luft zu finden. Ich hatte Vic in meinem Zimmer gelassen, also hing er nicht wie üblich von meiner Hüfte. Ich runzelte die Stirn. Warum hatte ich mein Schwert zurückgelassen? Das sah mir gar nicht ähnlich. Gewöhnlich nahm ich Vic überall hin mit, besonders jetzt, da die Schnitter kurz davorstanden, einen weiteren Chaoskrieg gegen das Pantheon zu starten.
    Wieder hörte ich das Geräusch. Es klang wie Stiefel, die über Stein schlurften. Ich drehte den Kopf nach links und stellte fest, dass jemand mit mir auf der Bühne stand – ein Junge in meinem Alter mit tiefschwarzem Haar und einem schlanken, muskulösen Körper.
    Der verdammte Logan Quinn.
    Der Kerl, den ich liebte.
    Derjenige, der mir ein Schwert in die Brust gerammt – und mich verlassen hatte.
    Er trug Stiefel, Jeans und eine schwarze Lederjacke über einem hellblauen Pullover, der die intensive Farbe seiner eisigen Augen betonte. Er sah genauso aus wie in meiner Erinnerung, genauso, wie ich ihn mir Hunderte Male vorgestellt hatte, seit er Mythos verlassen hatte … seit er mich verlassen hatte.
    »Logan?«, flüsterte ich heiser und hoffnungsvoll. »Logan!«
    Ich kämpfte mich auf die Beine, öffnete die Arme und wollte auf ihn zulaufen, als mir auffiel, dass Logan ein Schwert hielt – und dass seine Augen in diesem unheimlichen Schnitterrot leuchteten.
    Ich erstarrte. Das letzte Mal hatten Logans Augen diese schreckliche Farbe vor ein paar Wochen angenommen, während eines Schnitterangriffs auf das Aoide-Auditorium. Logan hatte mich attackiert und fast getötet, bevor ich meine Psychometrie eingesetzt hatte, um die mörderische Magie aufzuheben, die die Schnitter auf ihn gewirkt hatten.
    Ich hatte geglaubt, Logan vor den Schnittern, vor Loki, gerettet zu haben. Aber jetzt sah es aus, als wäre er zurückgekommen, um seine Aufgabe zu Ende zu bringen.
    »Oh, mach schon, Gwen«, rief eine spöttische Stimme. »Geh und begrüß deinen Freund. Er ist ja so froh, dich zu sehen.«
    Ich wirbelte herum. Ein Mädchen saß plötzlich auf den Stufen des Auditoriums. Eine schwarze Schnitterrobe verdeckte ihre Kleidung, aber sie trug keine Maske, sodass ich ihr Gesicht sehen konnte. Krauses, kastanienbraunes Haar, erstaunliche goldene Augen, hübsches Gesicht. Vivian Holler, Lokis Champion – das Schnittermädchen, das meine Mom ermordet hatte.
    »Was willst du hier?«, zischte ich.
    Vivian grinste mich an. »Gar nichts Besonderes. Nur zuschauen, wie Logan zu Ende bringt, was er angefangen hat. Nicht wahr, Logan?«
    Ich sah den Spartaner an. Er sagte nichts; nur seine Finger schlossen sich langsam fester um das Heft des Schwertes. Einen Moment später ließ er die Waffe herumwirbeln, um ein Gefühl für die Klinge zu bekommen. Genau dasselbe hatte er im Auditorium gemacht, bevor er mich angegriffen hatte.
    »Nein«, flüsterte ich. »Nein, nein, nein.«
    »O ja, ja, ja, Gypsy«, säuselte eine andere Stimme.
    Ich sah wieder zu den Sitzen. Jetzt saß eine Frau mit goldenem Haar und leuchtend grünen Augen neben Vivian. Sie trug dieselbe schwarze Robe wie das Mädchen. Agrona Quinn, Logans verräterische Stiefmutter und die Anführerin der Schnitter.
    Ich runzelte die Stirn. Wie waren Agrona und Vivian hierhergekommen? Und wie war es ihnen gelungen, wieder ihre scheußliche Magie auf Logan zu wirken? Er sollte eigentlich bei seinem Dad Linus sein und sich von all den schrecklichen Dingen erholen, die im Auditorium geschehen waren. Er sollte in Sicherheit sein.
    »Was ist hier los?«, fragte ich.
    Ich wich vor Logan bis zum hintersten Ende der Bühne zurück, in der Hoffnung, es die Stufen runter zu schaffen, bevor er mich erwischte. Logan würde mich mit seinem Schwert in Stücke hacken, besonders da ich Vic nicht dabeihatte, um mich zu verteidigen. Doch wichtiger war, dass ich nicht gegen Logan kämpfen wollte – nicht schon wieder.
    »Hey, hey, hey«, rief Vivian. »Bleib, wo du bist, Gwen.«
    Ich hörte ein leises Klick und riss den Kopf wieder zu dem Schnittermädchen
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