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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht
Autoren: Jennifer Estep
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herum, das jetzt eine Armbrust auf mich gerichtet hielt. Wo hatte Vivian die Waffe her?
    »Herausragend«, flötete Agrona.
    Sie wedelte mit der linken Hand, sodass ein großer, herzförmiger Rubin an ihrem Ring aufblitzte. Hatte Agrona immer noch Apate-Juwelen übrig? Gelang es ihr so, Logan wieder zu kontrollieren? Ich hatte gedacht, ich hätte alle Edelsteine, die sie im Auditorium getragen hatte, zerschlagen. Aber irgendwie musste es ihr gelungen sein, weitere davon in die Hände zu bekommen.
    »Also«, sagte Agrona. »Jetzt können wir endlich weitermachen. Wenn es Euch zusagt, mein Lord?«
    Sie und Vivian drehten sich beide um und blickten nach hinten. Ich hatte mich so sehr auf die beiden konzentriert, dass mir die dritte Gestalt, die genau in der Mitte des Amphitheaters die Stufen herunterschritt, bis jetzt nicht aufgefallen war.
    Anstelle einer Robe war der Körper des Mannes von Schatten umhüllt, die sich flüsternd wanden und um seinen Körper glitten wie Rauch, der über einem Feuer schwebt. Die Dunkelheit breitete sich langsam um ihn aus, rollte wie ein Teppich über die Stufen, erstickte das sanfte Glitzern des Steins und bedeckte alles mit einem schrecklichen, endlosen Schwarz. Alles, was ich von seinem Gesicht sehen konnte, waren seine Augen – eines strahlend blau, während das andere in diesem brennenden Schnitterrot glühte, das ich mehr hasste als alles andere – doch ich zitterte trotzdem vor Furcht.
    Denn aus irgendeinem Grund, auf irgendeine Art, war Loki, der bösartige nordische Gott des Chaos, hier in der Mythos Academy.
    »Mein Lord?«, fragte Agrona wieder.
    »Fahrt fort«, antwortete Loki. Seine Stimme hallte lauter als ein Donnerschlag durch das Auditorium. »Tötet das Frost-Mädchen – jetzt.«
    »Mit Vergnügen.« Das sagte Logan. Doch es war nicht seine Stimme – sondern die von Loki.
    Ich sah den Spartaner entsetzt an, aber Logan rannte bereits auf mich zu.
    »Nein, Logan.« Ich hob die Hände und wich vor ihm zurück. »Nicht. Bitte nicht. Nicht noch mal …«
    Logan legte einen letzten Spurt ein und rammte mir sein Schwert in die Brust.
    Unglaublicher Schmerz explodierte wie eine Bombe in meinem Herzen, und ich schrie und schrie wegen der heftigen, fast brutalen Pein. Logan lächelte, riss das Schwert heraus und stieß wieder zu.
    Und wieder und wieder und wieder …
    Ich wachte schreiend auf.
    In einer Sekunde stand ich auf der Bühne des Amphitheaters, während Logan mich tötete und Vivian, Agrona und Loki glücklich dabei zusahen. In der nächsten Sekunde lag ich im Bett in meinem Zimmer und rang mit dem Kissen, in dem ich mein Gesicht vergraben hatte.
    Ich schmiss das Kissen vom Bett, setzte mich auf und schnappte wie wild nach Luft. Mein Blick schoss durch das Zimmer, doch alles sah aus wie immer. Bett, Schreibtisch, Bücherregal, Kühlschrank, Fernseher. Vic hing an der Wand, Nyx lag zusammengerollt in ihrem Körbchen in der Ecke, Rans Netz aus Seegras hing über der Lehne des Stuhls.
    Real – das hier war real. Alles andere war ein Traum gewesen. Nur ein Traum.
    Vic öffnete sein Auge und musterte mich mitfühlend. »Wieder ein Albtraum?«
    Ich glitt auf den Boden und lehnte mich mit dem Rücken gegen das Bett. Nyx hüpfte aus ihrem Korb und rannte zu mir. Ich hob den Welpen hoch und drückte die kleine Wölfin an mich. Nyx leckte mir die Wange, und ich fühlte, wie ihre warme Sorge über mich hinwegglitt.
    »Gwen?«, fragte Vic wieder. »Ein Albtraum?«
    »Etwas in der Art.«
    »Hat er dich auch diesmal erstochen?«
    »O ja.«
    Meine Brust schmerzte, als hätte Logan mich tatsächlich erneut mit dem Schwert aufgespießt. Ich vergrub das Gesicht in Nyx’ Fell, bis das Gefühl verblasste und ich mir halbwegs sicher sein konnte, dass ich nicht weinen würde.
    »Wie hat er angefangen?«, fragte Vic. »Der Albtraum?«
    Jetzt, da ich ruhiger war, spulte ich in meinem Kopf zurück. Dank meiner Psychometrie vergaß ich niemals etwas, das ich gehört, gesehen oder gefühlt hatte, nicht mal in meinen Träumen. Manchmal war das ein Segen, weil ich jederzeit eine schöne Erinnerung wieder aufrufen konnte. Aber bei den Albträumen, die mich in letzter Zeit quälten, schien es eher ein Fluch zu sein.
    »Ich war hier, bin hin und her getigert und hatte das Gefühl, ich müsste entkommen …«
    Dann erzählte ich Vic den gesamten Rest. Als ich fertig war, runzelte das Schwert nachdenklich die Stirn, während Nyx mir die Finger leckte, um mich wissen zu lassen, dass auch sie
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