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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche
Autoren: Sara Paretzky
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ausgefallener Arbeitsplatz
für einen Dominikaner. Nach seiner Rückkehr traf er hier in Chicago Mrs.
Vignelli, noch so eine leidenschaftliche Seele, die ebenfalls Mitglied bei Corpus
Christi wurde. Das gab ihrem freudlosen Leben ein bißchen Sinn.“
    „Wer ist denn schuld, daß es so freudlos war?“ fuhr
Rosa ärgerlich dazwischen.
    „Dazu kommen wir gleich“, sagte ich kühl. Ich
skizzierte O'Faolins Plan, die Aktienmehrheit der Ajax zu erwerben.
Gleichzeitig horchte ich nach draußen und sah verstohlen auf die Uhr: sechs.
Keine Sorge... Ich äußerte den Verdacht, daß die gefälschten Wertpapiere etwas
mit O'Faolins Plänen zu tun hatten; immerhin hatte er mehrfach versucht, mich
umbringen zu lassen - ich sollte unter keinen Umständen weiter ermitteln.
    „Mir ist noch nicht ganz klar, welche Rolle Rosa und
ihr Sohn bei der Sache spielen. Vermutlich hatte Rosa mich zu Hilfe gerufen,
noch ehe sie wußte, daß Corpus Christi hinter den Fälschungen steckt.“
    Rosa konnte sich nicht länger beherrschen. „Weshalb
sollte ich ausgerechnet dich um Hilfe bitten? Als hätte ich nicht genug
gelitten durch diese Hure, die du Mutter nennst!“
    „Rosa, beruhigen Sie sich“, beschwichtigte Pelly. „Mit
solchen Anwürfen tun Sie der Kirche keinen Gefallen.“
    Aber Rosa war nicht mehr zu bremsen. „Ich habe sie
bei mir aufgenommen, und sie hat mein Vertrauen mißbraucht. Die liebe,
bezaubernde, begabte Gabriella.“ Ihr Gesicht verzog sich zu einer wütenden
Grimasse. „O ja. Der Liebling der Familie. Weißt du überhaupt, was deine feine
Mutter getan hat? Oder hat sie nicht den Mut aufgebracht, dir das zu erzählen?
Das sieht ihr ähnlich, der dreckigen Hure. Sie kam angekrochen, und gutmütig,
wie ich war, habe ich sie aufgenommen. Und wie hat sie's mir gedankt? Sie hat
meinen Mann verführt! Ich konnte mich nicht scheiden lassen, sonst hätte er mir
mein Kind weggenommen. Er wollte gern für mich sorgen, wenn er bloß bei seiner
lieben, begabten Gabriella sein durfte.“
    Auf ihren Lippen erschienen Speichelbläschen. Wir
saßen da wie gelähmt. Keiner wußte, wie man diesen Sturzbach hätte aufhalten
können.
    „Dann habe ich sie vor die Tür gesetzt. Sie mußte
mir versprechen, ohne ein Wort zu verschwinden. Soviel Anstand hatte sie doch.
Und Carl? Carl hat sich erschossen. Wegen einer Straßenhure. Hat mich und
Albert im Stich gelassen. Diese Hure, diese schamlose Hure!“
    Sie schrie immer lauter. Ich stürzte hinaus. Carroll
folgte mir. Als ich den Gang entlangtaumelte, legte er mir den Arm um die
Schulter und führte mich in ein winziges düsteres Zimmerchen mit einem
Waschbecken. Ich konnte weder reden noch denken, ich rang nur nach Luft.
Gabriellas Bild tauchte vor mir auf: ihr schönes, gequältes Gesicht. Hatte sie
wirklich gefürchtet, Vater und ich würden ihr nicht vergeben?
    Carroll kühlte mir das
Gesicht mit einem feuchten Handtuch. Dann verschwand er für ein paar Minuten
und brachte mir eine Tasse grünen Tee. Ich trank ihn in einem Zug aus.
    „Wir müssen weitermachen“, sagte er. „Ich muß
wissen, warum Pelly das getan hat. Denn nur er kann ja die gefälschten
Zertifikate in den Safe gelegt haben. Ihre Tante ist im Grunde ein
bedauernswertes Geschöpf. Haben Sie die Kraft, sich das vor Augen zu halten,
wenn wir jetzt die Sache so rasch wie möglich hinter uns bringen?“
    „Ja, bestimmt.“ Meine Stimme war heiser. Je eher
dieser Tag vorüber war, desto schneller würde meine Erinnerung daran
verblassen. Und vielleicht konnte ich ihn eines Tages ganz vergessen.
    Als wir zurückkamen, fanden wir nur noch Pelly,
Murray und Onkel Stefan vor. Aus dem Arbeitszimmer des Priors drang Rosas
ohrenbetäubendes Geschrei. Onkel Stefan sprang auf und begann, in deutscher
Sprache sanft und tröstend auf mich einzureden. Mir war, als hätte ich das Wort
„Schokolade“ gehört, und ich mußte trotz allem lächeln.
    Murray sagte zu Carroll: „Jablonski ist bei ihr. Er
hat den Notarzt angerufen.“
    „Auch gut.“ Carroll nahm uns mit in das Zimmerchen,
aus dem wir gerade gekommen waren. Pelly konnte sich kaum auf den Beinen
halten. Er wirkte blaß unter seiner Sonnenbräune, und seine Lippen bewegten
sich ununterbrochen. Rosas Tobsuchtsanfall hatte ihm den letzten Rest
Selbstvertrauen geraubt. Aber die Geschichte, die er erzählte, deckte sich mit
meinen Schlußfolgerungen.
    Er hatte O'Faolin im vergangenen Winter in San Tomas
getroffen und den Auftrag erhalten, für Corpus Christi Ajax-Aktien zu
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