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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche
Autoren: Sara Paretzky
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grinsend das Mikrofon hin. „Noch irgendwelche
Erklärungen für die Nachwelt?“
    Es war totenstill in der Kapelle. Geistesgegenwärtig
waren einige junge Klosterbrüder herbeigeeilt und sammelten die verstreuten
Hostien auf. Die Leute glotzten. Dann stand Carroll neben mir. „Was geht hier
vor, Miss Warshawski? Wir sind in einer Kirche und nicht im Zirkus. Schaffen
Sie die Reporter hier raus, damit wir die Messe beenden können. Anschließend
erwarte ich Sie in meinem Büro.“
    „Gern.“ Meine Stimme klang ruhig. „Ich würde mich
freuen, wenn Pater Pelly dabei wäre. Rosa kommt auch mit.“ Meine Tante, die wie
angewurzelt dastand, wandte sich zur Tür, doch ich packte ihren dürren,
sehnigen Arm so fest, daß sie zusammenzuckte. „Wir haben miteinander zu reden,
Rosa. Versuch nicht, dich davonzustehlen.“
    O'Faolin wollte sich vor Carroll rechtfertigen. „Sie
ist nicht normal, Prior. Sie hat den alten Mann angeschleppt, damit er mich
falsch bezichtigt. Sie bildet sich ein, daß ich sie umbringen lassen wollte.
Seit ich hier bin, hat sie mich verfolgt.“
    „Er lügt!“ meldete sich Onkel Stefan. „Ich weiß zwar
nicht, ob er ein Erzbischof ist, aber ich weiß, daß er meine Wertpapiere
gestohlen und zugesehen hat, wie ein Ganove mich umbringen wollte. Hören Sie
mal, was er dazu sagt!“
    Der Prior hob die Arme. „Genug!“ Ich war überrascht,
daß er so viel Autorität in seine sanfte Stimme legen konnte. „Wir sind zur
Ehre Gottes zusammengekommen. Diese Bezichtigungen machen das heilige Abendmahl
zum Possenspiel. Sie werden sich noch dazu äußern können, Exzellenz. Später.“
    Er rief die Gemeinde zur Ordnung und hielt eine
markige Predigt, in der es darum ging, daß der Teufel selbst vor dem Himmelstor
lauern könne. Ich hatte mich ins Seitenschiff der Kapelle zurückgezogen; Rosas
Arm hielt ich immer noch umklammert. Beim Gebet sah ich O'Faolin hinter dem
Altar Richtung Ausgang verschwinden. Pelly sah elend aus. Folgte er dem
Erzbischof, so stempelte ihn das zum Komplizen. Blieb er zurück, so würde ihm
O'Faolin das nie verzeihen. Dieser Zwiespalt war deutlich von seinem
ausdrucksvollen Gesicht abzulesen. Schließlich fiel er verzagt und mit
glühenden Wangen in das Schlußgebet seiner Brüder ein und verließ in ihrer
Mitte die Kapelle.
    Ich lauschte angestrengt nach draußen, aber es war
nichts zu hören. Dafür startete Rosa eine ziemlich laute Schimpfkanonade. „Nicht
hier, Tantchen. Heb dir das für Carrolls Büro auf.“ Onkel Stefan und Murray im
Schlepptau, so steuerte ich Rosa forsch durch die gaffende, schwatzende Menge.
Cordelia wollte noch ein paar Aufnahmen machen.
    Pelly saß mit Carroll und Jablonski am Tisch. Rosa
wollte etwas sagen, als sie ihn erblickte, doch er brachte sie durch ein
Kopfschütteln zum Schweigen. Carroll fragte, was es mit Murray und Onkel
Stefan auf sich habe. Er hatte nichts gegen Murrays Anwesenheit, allerdings
nur unter der Bedingung, daß unser Gespräch nicht auf Band aufgenommen wurde
und daß die Öffentlichkeit nichts davon erfuhr. Murray zuckte die Achseln. „Dann
kann ich genausogut gehen.“ Doch Carroll blieb eisern, und so fand Murray sich
damit ab.
    „Ich hätte den Erzbischof gern dabeigehabt, aber er
fährt in Kürze zum Flughafen und möchte sich nicht äußern. Ich verlange von
Ihnen allen eine stichhaltige Erklärung. Beginnen wir bei Miss Warshawski.“
    Ich atmete tief durch. Rosa sagte: „Glauben Sie ihr
nichts, Pater. Sie ist nichts weiter als eine rachsüchtige -“
    „Sie kommen später an die Reihe, Mrs. Vignelli.“
Seine frostige Autorität brachte sie zum Verstummen.
    „Die Geschichte beginnt vor fünfunddreißig Jahren.
In Panama“, fing ich an. „Damals arbeitete Xavier O'Faolin dort als Priester
in den Armenvierteln. Er war Mitglied der Organisation Corpus Christi und sehr
ehrgeizig.“ Ich erzählte von seiner Verbindung zu Catherine Paciorek und ihrem
Geld. Je länger ich redete, desto ruhiger wurde ich. Meine Stimme zitterte
nicht mehr, und ich atmete wieder normal. Rosa behielt ich scharf im Auge.
    „Kurz bevor die Pacioreks Panama verließen, tauchte
Augustin Pelly dort auf. Er unterstützte Mrs. Pacioreks leidenschaftlichen
Einsatz für die Armen und teilte ihren Idealismus. Auch er wurde
Corpus-Christi-Mitglied, auch er geriet völlig unter den Einfluß von O'Faolin.
Als O'Faolin eine Position im Vatikan angeboten wurde, folgte ihm Pelly. Er war
einige Jahre lang als Sekretär für ihn tätig - ein ziemlich
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